Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
noch kommt. Weg’n der Leich’ laß ich mir net den besten Biss’n vor dem Mund wegschnappen. Bring noch aan Bier und den rechten Schnaps dazu.«
»Recht so, Balzer; wozu bist’ denn Teichbauer, wenn Du es net zeig’n darfst!«
Der Stachel, den ihm der selbstsüchtige Mann eingedrückt hatte, saß fest. Balzer sah die beobachtenden Blicke des Kantors, sah die Augen der beiden Liebenden in einander leuchten; er trank sich immer tiefer in den Aergr und die Aufregung hinein, und als er endlich gar bemerkte, daß der Heiner seinen Arm vertraulich um das Mädchen legte und leise in sie hin einflüsterte, da war sein Entschluß gefaßt.
Sobald die Töne des neuen Tanzes erklangen, schritt er über den Saal und auf Alwine zu.
»Komm mit, Alwin’!«
»Wohin?«
»Zum Galopp.«
»Zum Tanz? Bist wohl net recht klug, Balzer?«
»Ich bin so klug, wie jeder Andre auch. Die Musik ist grad ebenso für mich wie für Euch. Komm!«
»Nein, ich tanz net mit Dir und niemand anders auch. Geh fort, nach Haus’ und denk an Deine Mutter!«
»Ich kann auch hier an sie denk’n. Die ist gut versorgt und hat nix davon, wenn ich fort lammentir’. Also komm!«
»Ich hab gesagt, daß ich net mit Dir komm’, und dabei bleibts!«
Da trat Silbermann herbei.
»Alwin’, bist’ schon versagt?«
»Nein.«
»So giebt mir die Hand sonst geht der schöne Galopp zu End’!«
»Hier!«
Da schob sich Balzer zwischen sie.
»Halt, so geht’s net, als wie ihr denkt. Sie hat mir den Tanz versagt und darf ihn also net wieder geb’n. So ist’s hier Sitt’ und Regel, und wer dageg’n thut, der wird hinausgeschafft!«
»Es giebt Streit; der Balzer will tanzen!« ging es von Mund zu Mund und die nicht Tanzenden drängten sich neugierig herbei. Heiner sah dem Gegner mit lachendem Auge in das erregte Gesicht.
»Schäm’ Dich, Teichhofbalzer, daß Du Deine brave Mutter so im Grab verschimpfirst! Aber davon will ich net weiter reden, denn das hast’ mit dem eigenen Gewiss’n abzuthun; doch merk’ Dir jetzt Eins: Es hat hier Jede das Recht, zu tanz’n mit wem es ihr beliebt; die Alwin mag Dich net, sondern mich, folglich tanz ich mit ihr. Hast ‘was dageg’n, so gehe zum Saalordner; hinausgeschafft aber wird nur Der, welcher Unruh’ stiftet.«
Er nahm das Mädchen bei der Hand, um sie hinwegzuführen. Da faßte ihn Balzer am Arme, und es wäre sicher zu einem ernsten Zusammenstoße gekommen, wenn nicht eben jetzt der Kantor herbeigetreten wäre.
»Was geht hier vor, Alwine?«
»Der Balzer hat mich gefordert und will es nicht leiden, daß ich mit dem Heiner tanze.«
Da der alte, erfahrene Menschenkenner recht wohl wußte, welcher Grund den Teichbauer getrieben hatte, so sehr gegen den löblichen Gebrauch zu handeln, so sah er ihn nur strafend an und entschied dann:
»Wer Händel treibt, verdient Strafe. Du tanzest mit keinem von Beiden mehr!«
»Aber Vater!« bat das Mädchen.
»Herr Kantor – –« wollte der Heiner sich vertheidigen, der Angeredete aber schnitt ihm das Wort ab.
»Gut, gut, ich weiß schon, was ich thue. Sobald ich Dich mit einem von ihnen sehe, Alwine, gehst Du nach Hause!«
Das war ein Spruch, gegen den es trotz seiner Ungerechtigkeit keine Widerrede gab. Diese Ungerechtigkeit fühlte Heiner am meisten, und sie erregte ihn um so mehr, je unerklärlicher sie war. Alwine wurde zwar auch von ihr getroffen, aber das Mädchen schien sich bald beruhigt zu haben. Sie hatte zwar ihren liebsten und besten Tänzer verloren, an seiner Stelle aber zehn Andere gefunden, und so gab sie sich selbst dann noch dem Vergnügen hin, als der Vater nach Hause gegangen war.
Als dieser in die Nähe seiner Wohnung kam, trat ihm eine Gestalt entgegen, die auf ihn gewartet zu haben schien. Es war Heiner, der schon längst den Saal verlassen hatte, weil von einem Vergnügen für ihn keine Rede mehr sein konnte.
»Herr Kantor, darf ich Sie so spät und unterwegs ansprech’n?«
»Wenns etwas Wichtiges ist, ja.«
»Für mich ist’s wichtig genug. Womit hatt’ ich die Straf’ verdient, die Sie mir heute gegeben hab’n? Ich möcht’ das gern erfahr’n, damit ich’s wieder gut mach’n kann, was ich gefehlt hab’.«
»Gefehlt hast Du bisher nichts, und ich hoffe, daß es auch weiterhin nicht geschehen wird. Es war daher auch nicht eine Strafe für Dich, sondern eine Sicherheitsmaßregel, die zu treffen ich meine Gründe hatte.«
»Und doch war’s Straf’ für mich, denn gerade so und net anders hat es mich getroff’n.
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