Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Lauf’n war nur so die Red’, Vater, aber eh’ ich ‘was verloren geb’, muß ich doch erst auch wiss’n, daß es wirklich verloren ist!«
»Ich sag Dir’s ja deutlich genug!«
»Du sagst mir Deine Meinung, doch zwischen Meinung und Scherheit ist aan gewalt’ger Unterschied. Wenn er sie mir net giebt und sie mich net mag, dann tret’ ich zurück, denn dann erst ist’s erwies’n, daß Du Recht hast.«
»So versuch’s und schick den Freiersmann hinüber!«
»Willst gehn, Vater?«
»Ich? Bist wohl net recht bei Trost! Mich bringst’ net mit zehn Pferd’n hinüber.«
»Wirst aber dennoch gehn!« lächelte Heiner, der den Vater kannte.
»Warum, so frag’ ich Dich?«
»Weil Du der Vater bist, und wenn aan Andrer kommt, so lacht Dich der Kantor aus und sagt, Du hast Angst vor ihm.«
»Angst – ich – vor ihm? Fällt mir gar net ein! Wenn er das denkt, so geh’ ich gleich jetzt auf der Stell’ hinüber und nehm’s mit ihm auf. Ich bin aan ehrlicher Mann, hab niemand nix gethan und brauch mich also auch vor niemand net zu fürcht’n, und wenn’s der Papst oder gar der gestreng’ Herr Amtmann wär.«
»Also gehst’?«
»Ja; ich will ihm zeig’n, daß ich das Herz gerade da hab’, wo’s hingewachs’n ist. Es ist aan verlor’ner Gang, dies waaß ich sicher und gewiß, aber ich werd’ ihn thun um Deinetwill’n. Gift und Operment wird’s geb’n, so wie die Sach’ einmal gestellt ist, und je eher man’s schluckt, desto eher ist’s verdruckt. Dann wirst’ auch wieder den Verstand bekommen.«
»Und wenn willst’ gehn? Der Balzer schickt den Freiersmann auf den Nachmittag.«
»So geh ich gleich nach Tisch’, damit ich eher komm’. Gleich jetzt werd’ ich mir den Sonntagsstaat ausputzen und – und – aber wie steht’s mit dem Strauß und dem Geschenk? Brauch ist Brauch; der muß gehalten werd’n.«
»Für den Strauß werd’ ich schon sorg’n, und das Geschenk? – Der Kantor hat sich schon längst aan Paar Schmalkaldener gewünscht, mit schwarzem Schwanz und schwarzer Brust, den Leib aber und die Halskraus’ weiß. Was sagst dazu?«
»Hm, der alte Taub’nfried braucht sich auch net gleich das Best’ und Theuerste zu wünsch’n! Mich selber kost’t das Paar neun blanke Thaler. Ich werd’ ihm lieber aan Paar Rothflügel geb’n; die sind vollplattig, mit rothem Fuß und Sporn und fast so selt’n wie die andern auch.«
»Sie kost’n auch acht Thaler, Vater, und wenn er sich die Schmalkaldener gewünscht hat, so wird’s wohl auf den Thaler net ankommen.«
»Meinetweg’n denn! Aber putz sie schön und gieb ihnen frisches Wasser, damit sie zuvor bad’n können.«
Somit war der schwere Entschluß gefaßt, und nach dem Mittagsessen schritt Silbermann, sonntäglich gekleidet, einen gewaltigen Strauß im Knopfloch und die Tauben in der Hand, über die Straße hinüber und trat in das Schulhaus.
Droben vor der Thür kam ihm Alwine tief erglühend entgegen. Sie hatte ihn kommen sehen und das Zimmer verlassen, um nicht Zeugin der gefürchteten Unterredung zu sein. Die liebliche Erscheinung des Mädchens verfehlte nicht, ihren mildernden Eindruck auf den alten Vogelhändler zu machen. Er nahm den Strauß von der Brust und gab ihr ihn.
»Hier hast das Bouquet, Alwin’; der Heiner hat’s gepflückt! Er schickt mich herbei, weshalb, das wirst’ wohl wiss’n. Gott geb’ sein Glück dazu!«
Dann trat er nach vorherigem Klopfen ein. Der Kantor empfing ihn mit verwundertem Gesicht.
»Was ist denn los bei Euch, Silbermann, daß Ihr des Mittags schon im Staate steckt?«
»Das sollt Ihr gleich erfahr’n, Herr Kantor, nur nehmt mir erst die Taub’n ab. Der Heiner sagt’, Ihr hättet Euch die Schmalkaldener gewünscht.«
»Zeigt her!« Er war ein passionirter Taubenliebhaber und griff mit sichtlicher Begierde zu. »Wahrhaftig, ein Paar Schmalkaldener! Verkauft Ihr sie? Wie ist der Preis?«
»Nehmt sie geschenkt, wenn’s Euch recht ist!«
»Geschenkt – wie käme ich dazu? Ein Paar billige, wie es schon oft geschehen ist, ja; aber so eine theure Waare verschenkt man nicht, ohne daß man eine Absicht hat. Soll ich Euch vielleicht einen Gefallen thun, Nachbar?«
»Gefallen – hm, wie mann’s nimmt! Ich komm’ nämlich von weg’n Eurer Alwin’ und dem Heiner – –«
»Ach so – so – so – –!« fiel schnell der Kantor ein. »Da nehmt einmal die Tauben wieder in die Hand. Wir wollen nachher sehen, ob ein solches Geschenk nicht über Eure Kräfte geht. Ich habe
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