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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zuzuschreiben.
    Dabei aber kannte das ganze Dorf die Liebe zwischen Heiner und Alwine, und so sehr die letztere unter der strengsten Aufsicht ihres Vaters stand, man erzählte sich doch, daß die Beiden sich täglich träfen und sprächen, obgleich kein Mensch sie bei einem solchen Stelldichein getroffen und überrascht hatte. Zum Tanz durfte das Mädchen gar nicht mehr gehen; dafür mußte sie fleißig an ihrer Ausstattung arbeiten, obgleich sie dabei verblieb, den Balzer auf keinen Fall zu nehmen und selbst am Altare noch nein zu sagen.
    Heiner war schon längst nicht mehr Mitglied der Sängerschule, und man konnte nicht sagen, ob er vom Kantor ausgestoßen worden oder selbst ausgetreten sei. Seine Lieder hatten stets einen bedeutenden Theil des Repertoirs ausgemacht und waren auf den Sängerzügen in alle Welt hinausgetragen worden; jetzt hörte man keines derselben mehr während der Unterrichtsstunden; doch ließ sich hier und da verlauten, daß der Kantor jedes neue zu kennen trachte und im Stillen musikalisch bearbeite. Die Gedichte des Vogelstellers waren stärker als der Haß des Musikmeisters.
    Das letzte Weihnachtsfest war auch das erste gewesen, an welchem die Aufführung von Silberheiners Weihnachtskantate ausgefallen war, die stets nicht nur Ehre und Ruhm, sondern auch einen reichlichen Ertrag für die Sängerkasse gebracht hatte.
    So war also Ostern schon vergangen, und da der noch auf den Fluren lastende Schnee die Feldarbeit verhinderte, so hatte man eine wandernde Schauspielertruppe, welche eine Reihe von Vorstellungen im Dorfe zu geben beabsichtigte, mit Freuden willkommen geheißen. Der Direktor derselben wohnte mit seiner Familie beim Kantor, welcher mit seiner Tochter an jedem Adende im Theater zu sehen war. Alwine hatte noch niemals einer Vorstellung beigewohnt; sie fühlte sich von dem Eindrucke derselben vollständig bezaubert, und das Entzücken, welches dieser Genuß ihr bereitete, dehnte seinen Einfluß nicht nur über ihr Wachen, sondern sogar über ihre Träume aus. Es erschloß sich ihr hier eine Welt voll Glanz und Flimmer, voll Schein und Täuschung, deren Gestalten aber die Bewunderung und den Applaus der biedern Dörfler ernteten. Sie fühlte sich von ihr angezogen, in sie hineingerissen wie in einen Strudel, der den unvorsichtigen Schwimmer schon von weitem packt, desto stärker und unwiderstehlicher wird, je näher man ihm kommt, und endlich mit seinen Wassern Alles verschlingt und überbraust, was er einmal ergriffen hat.
    Sie war bald mehr in der Stube der Direktorin, als in ihrer eignen Wohnung, half mit Eifer bei der Herstellung oder Zurichtung all der werthlosen Requisiten, welche nur auf Lampenlicht berechnet sind, und vertiefte sich mit einer wahren Leidenschaft in die Lektüre der vorhandenen Bücher und Manuskripte, welche meist von andern Bühnen ausgemerzte Ritter-, Räuber-, Klosterstücke oder anderes untaugliches oder gar schädliches Zeug enthielten, voll von einem Leben, welchem nichts so fremd ist als die Wirklichkeit.
    Als die männlichen Mitglieder der Truppe bemerken, welcher Gast bei der Direktion verkehrte, stellten sie sich weit öfter ein, als es in geschäftlicher Beziehung geboten war, und bald bildete das schöne Mädchen den Mittelpunkt eines Kreises, der ihr in der auffälligen und volltönenden Weise dieser Art von Künstlern den Hof machte. Sie wurde förmlich berauscht und konnte auf einmal nicht begreifen, daß sie sich von ihren bisherigen Verhältnissen befriedigt gefühlt hatte.
    Eines Abends ließ sich kurz vor Beginn der Vorstellung die erste Liebhaberin als plötzlich unwohl melden. Sie hatte zwei Lieder zu singen, welche so eng mit dem Stücke zusammenhingen, daß sie unmöglich gestrichen werden konnten. Der Direktor sah sich in eine Verlegenheit versetzt, für die ihm Alwine als Rettungsengel erschien. Sie war bei der Meldung zugegen, und als sie hörte, daß keine von den andern Damen die nöthige Stimme habe, meinte sie: »Geht es nicht, daß die Lieder hinter der Scene gesungen werden?«
    »Das geht allerdings; die betreffende Darstellerin müßte dann den Gesang mimisch vingiren, so daß die Zuhörer getäuscht werden. Aber auch für diesen Fall habe ich keine geeignete Kraft.«
    »Der Vater geht heut nicht in das Theater, und wenn niemand etwas davon erfährt, so will ich den Vortrag übernehmen.«
    »Sie? Sie singen?« frug der Direktor rasch.
    »Ja,« antwortete sie mit erkennbarem Selbstbewußtsein.
    »Aber Sie kennen die Einlagen

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