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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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einleitenden Takten mit fester Baritonstimme begann:
    »O gräme nie ein Menschenherz,
    Das Dein in treuer Liebe denkt.«
     
    Er hatte also den Zettel gefunden und war von den darauf befindlichen Worten an das Instrument getrieben worden. Das Lächeln auf ihrem Gesichte aber verlor sich nach und nach, denn die Töne, welche sie hörte, waren dem Texte angemessen und ganz geeignet, hinunter bis ins tiefste Herz zu dringen.
    »Wie schön, wie schön; das schreib ich mir ab!« meinte sie. »Es ist wirklich jammerschade um den Heiner, daß er nichts Besseres ist. Was könnte er für ein Dichter und mit seinem Tenor für ein Sänger werden, wenn er an ein Theater gehen wollte! Aber so einen Vorschlag darf ich ihm gar nicht machen, denn, so lieb ich ihn habe, mit seinen Ansichten ist und bleibt er doch vom Dorfe!«
    Sie freute sich, daß sie ihn für heut nicht bestellt hatte, denn es war Ruhetag für die Schauspieler, und da kamen sie ganz sicher Abends zum Direktor.
    Dieser schien die ungewöhnlich fleißigen Besuche seiner männlichen Mitglieder nicht außer der Ordnung zu finden. Er war ein schlauer Spekulant und hatte trotz der kurzen Zeit die Kantorstochter so gut kennen gelernt, daß er an dem Gelingen seiner Pläne nicht im Mindesten zweifelte. Alwine wurde daher, ohne daß sie es ahnte, in eine fein berechnete Behandlung genommen und fand nachher, von farbenprächtigen Bildern umgaukelt, nur spät erst den Schlaf.
    Obgleich der Schnee noch auf den Feldern lag, aus den Gärten war er gewichen, und der Kantor begann nun, sich mit der Herstellung seiner Blumenbeete zu beschäftigen. Dabei bemerkte er in der unmittelbaren Nähe der Laube fremde Fußspuren, die seine vollste Aufmerksamkeit erregten. Er wußte, daß man sich von geheimen Zusammenkünften zwischen Heiner und Alwine erzähle, und es kam ihm der Gedanke, daß die Laube es sein könne, welche von ihnen dazu benutzt werde.
    Er kroch hinein und untersuchte ihr Inneres auf das Sorgfältigste. Seine Bemühung war von Erfolg, denn am Boden lag eine Cigarrenspitze, die er sofort als das Eigenthum Heiners erkannte. Er legte sie wieder hin und verließ die Laube.
    »Also so geht es hinter meinem Rücken her! Dem Burschen werde ich die Lust für allezeit vertreiben!«
    Er lachte ingrimmig in sich hinein und begab sich wieder an seine Arbeit.
    Am Abende besuchte er mit Alwine die Vorstellung, dann that er, als gehe er schlafen, schlich sich aber statt dessen hinab in den Garten. Zwar wußte er nicht, ob Heiner heut kommen werde, aber er hatte sich fest vorgenommen, alltäglich und so lange in der Laube Posto zu nehmen, bis er ihn atrappiren werde. Jetzt konnte Heiner allerdings noch nicht da sein; er hatte ihn im Theater gesehen und bemerkt, daß er am Schlusse desselben erst noch in die Gaststube getreten war. Darum beschloß er, sich in den hintersten Winkel der Laubhöhle zurückzuziehen und ruhig abzuwarten, was da kommen werde.
    Am Ziele angekommen, bog er sich nieder und trat ein. Da fühlte er sich ergriffen, ein fürchterlicher Schlag schmetterte auf sein emporgerichtetes Gesicht nieder, ein Klirren wie von zerbrochenen Scherben folgte und dann ergoß sich eine Flüssigkeit über ihn, von welcher jeder Tropfen wie mit Messerschärfe in das Fleisch einschnitt. Er konnte nicht anders, ein fürchterliches Brüllen entquoll seiner Brust; dabei wollte er nach dem Uebelthäter fassen, griff aber in die Luft; er war verschwunden.
    Alwine hatte die Stimme ihres Vaters erkannt und kam erschrocken herbeigeeilt.
    »Vater, wo bist Du, was ist’s?«
    »Der Heiner, der Heiner! Halt ihn fest, er hat mich mit kochendem Wasser überschüttet. O meine Augen, meine Augen!«
    Sie fiel in sein Rufen ein, so daß einige zufällige Passanten herbeigerufen wurden, die den vor Schmerz wimmernden Kantor in seine Wohnung brachten. Der Dorfbader wurde schleunigst gerufen und ein Bote in die Stadt zum Arzte geschickt. Es stellte sich heraus, daß das Gesicht des Ueberfallenen mit einem Gefäß zerschlagen worden war, in welchem sich eine scharfe, ätzende Säure befunden hatte, die von einer ebenso schnellen wie fürchterlichen Wirkung gewesen war. Das Gesicht bot einen entsetzlichen Anblick, und auch die Hände, mit denen er es unwillkürlich zu schützen versucht hatte, waren in ihren Fleischtheilen zerrissen und zerfressen.
    Der Arzt, welcher von dem Boten die Art und Weise der Verletzung erfahren hatte, brachte gleich die geeigneten Medikamente mit, welche die Schmerzen wenigstens

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