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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Heiner?«
    »Ja. Komm nur herein!«
    Sie folgte dem Wunsche, nahm neben ihm Platz und wurde von seinen Armen umschlungen.
    »Warst im Theater heut, Heiner?«
    »Ja. Und Du?«
    »Nein, sonst hättest’ mich ja gesehen.«
    »Warum warst’ net?«
    »Der Vater hatt’ zu schreib’n und allein’ durft’ ich net gehen.«
    »Wie schade! Sonst hättest’ zwei Lieder gehört, die mir sehr gefallen hab’n. Also ins Theater darfst’ net ohne den Vater?«
    »Nein.«
    »Aber hinter die Couliss’n?«
    »Heiner!«
    »Wirst auch nein sag’n?«
    Sie schwieg, und erst nach einer Weile antwortete sie unsicher: »Hast mich wohl erkannt?«
    »Gleich beim erst’n Ton, Alwin’, hast’ mich wirklich lieb, so lieb, wie Du immer sagst?«
    »Ja, Heiner.«
    »Warum betrübst mich denn so?«
    »Womit?«
    »Die Leut’ erzähl’n, das Theater hätt’ es Dir angethan; ich seh vom Fenster aus, wie die Spieler um Dich scharwenzeln, und nun singst’ gar schon auf dem Podium! Hast net daran gedacht, ob es mich kränkt?«
    »Nein. Es ist gar nix Unrechts dabei!«
    »Ja, aan Vergehn ist’s net, das ist wahr; aber hat’s Dein Vater gewußt?«
    »Ja.«
    »Wirklich? Dann wundert mich’s von ihm. Aber daß Du zu mir thust, als seist’ net im Theater gewes’n, das ist aan Zeich’n, daß Dir das Gewiss’n dennoch geschlag’n hat.«
    »Ich wollt’ Dich net belüg’n, sondern nur erst sehn, ob Du mich erkannt hast.«
    »So! Dann bitt ich inständig, thu’s net wieder, Alwin’! Ich bin grad und ehrlich, mich hörst’ nie schmeicheln und schön thun; darum gefällts Dir bei den Spielern besser als bei mir, und ich hab schon zweimal hier gesess’n und vergebens auf Dich gewartet. Alwin’, das Theater ist schön von auß’n und bei Licht, aber am Tag und innen da wohnt eitel Unglück und Herzeleid. Glaub mir das und laß Dich net vom Schein verführ’n. Aan Blendwerk hält nie lange vor, und die Reu ist sicher hinterher.«
    »Warum sagst’ das zu mir? Denkst etwa gar, ich thu ‘was Unguts?«
    »Nein, das denk ich net, dazu bist’ mir zu werth und rein; aber von Allem, was man sieht und hört, setzt sich ‘was fest im Innern, und ich möcht’ net hab’n, daß auch der kleinste Hauch mir Deine Seel’ vertrübt. Schau, ich bin net stolz und aufgeblas’n, aber wenn ich wollt’, so könnt’ ich wohl auch sag’n, daß ich aan Künstler bin. Ich arbeit’ Tag und Nacht, damit ich geistig wachs’, und Du sollst die Fee werd’n, durch deren Lieb’ und Güt’ ich zum Ziel gelang’!«
    »Hast wieder ‘was geschrieb’n?«
    »Nix als aan kurz’ Gedicht.«
    »Hast’s mit?«
    »Ja. Hier hast’s. Und wenn Du’s lies’st, so denk daran, daß ichs geschrieb’n hab, gleich als ich aus dem Theater kam!«
    »Wenn’s gut ist, komponirts der Vater. All’ die Gedicht’, die Du mir bringst, steck ich in seine Bücher; dann findet er bald dies bald das und denkt, es stammt von früher her. Es wird die Zeit schon kommen, wo Ihr wieder einig seid.«
    »Das geb der liebe Gott!«
    Er zog sie fester an sich, und nun begannen sie in süßer Vergessenheit der Gegenwart an den köstlichsten Lustschlössern zu bauen, bis die gewöhnliche Zeit des Scheidens gekommen war. Sie traten aus der Laube und reichten sich die Hände.
    »Hast’ morg’n wieder Zeit, Alwin’?«
    »Ich weiß noch net, aber komm lieber erst übermorg’n um dieselbe Zeit, sonst wag’n wir zu viel.«
    »Hast Recht. Schlaf wohl, meine Fee, und bleib immer gut und treu!«
    »Gut’ Nacht!«
    Ein leiser Kuß erklang, dann schieden sie.
    Als sie sich entfernt hatten, erhob sich Balzer von der Erde. Er hatte dicht an der Laubenwand gelegen und beinahe jedes Wort vernommen.
    »Jetzt hab ich ihn nun sicher! Also aan Künstler ist er, hahaha! Er soll bald erfahr’n, wie weit er kommt mit seiner Kunst und seiner hübsch’n Larv’. Dem Kantor muß ich’s sag’n, gleich morg’n früh, wo er den saubern Patron abfangen kann, und dann – – – doch nein, das könnt’ mich ja verrath’n. Ich darf von der Laub’ nix wiss’n, net das Geringst’, sonst geht mir’s an den Krag’n. Mit den Spielern mag sie immer schamerir’n, das schadet nix; sie gehn wieder fort und er ärgert sich darüber. Aber mit ihm soll’s aus werd’n, und das bald, dazu bin ich schon der Mann!« –Am andern Nachmittag saß der Kantor wie festgebannt am Klaviere, wo er an einem Manuskript arbeitete. Alwine lauschte und mußte heimlich lächeln, als er mit der Arbeit fertig war und nach den

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