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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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soweit stillten, daß der Kranke eine zusammenhängende Darstellung des Vorganges zu geben vermochte. Auf seine Forderung hin wurde der im Orte stationirte Gensdarm gerufen, der nach kurzem Verhör des Kantors sich trotz der späten Stunde zu Silbermanns begab.
    Das Haus war verschlossen, und erst nach langem Klopfen wurde geöffnet. Es war der alte Vogelhändler selbst, der verwundert über die außergewöhnliche Störung im Flur stand.
    »Was soll’s sein?«
    »Das werdet Ihr gleich hören! Ist Euer Sohn zu Hause?«
    »Himmelelement, der Schandarm! Was wollt Ihr von dem Jungen?«
    »Zunächst will ich wissen, wo er ist.«
    »Nun wo anders denn als drob’n im Bett’!«
    »So leuchtet mir einmal! Ich muß hinauf.«
    »So? Hinauf müßt Ihr? Warum denn?«
    »Nur immer vorwärts! Ich hab keine Zeit.«
    »Na na na, da hinauf kommen wir heuer schon noch!«
    Er leuchtete voran und öffnete die Kammerthür.
    »Heiner, steh auf; hast’ Besuch!«
    Es wurde ihm keine Antwort. Er trat näher und blieb verwundert vor dem Bette stehen.
    »Leer, wahrhaftig leer und kaane Seel’ liegt drin!«
    »Das hab ich mir gedacht,« bemerkte der Sicherheitsbeamte.
    »Er hat doch gut’ Nacht gesagt und ist heraufgegangen! wo mag er steck’n?«
    »Das werde ich schon ausfindig machen!«
    Er stieg die Treppe hinab und untersuchte jeden Winkel des kleinen Hauses.
    »Aber warum sucht Ihr denn nach ihm?«
    »Wegen ruchloser Körperverletzung.«
    »Körperverletzung? Was hat er sich verletzt?«
    »Sich nichts, aber Andern desto mehr.«
    »Sich nix? Gut, dann bin ich zufried’n. Der Heiner ist kaan Raufbold, der ruchlos hinschlägt, wo er net hinschlag’n soll; freilich, wenn man ihm mit Absicht in die Quer kommt, so muß er sich wehr’n, das hab ich ihm selber gesagt, und nachher fackelt er auch net lang. Wen hat er denn vorgehabt?«
    »Den Kantor.«
    »Den? Wohl bekomm’s; weiter sag ich nix.«
    »So! Da wißt Ihr wohl auch von der Sache?«
    »Ich waaß nix, als daß für den Kantor geklopfter Senf aan heilsam Hausmittel ist. Aber was geht denn grad Euch die Geschicht’ an, he?«
    »Weil Anzeige gemacht worden ist. Habt Ihr hier im Hause Salpeter-oder Schwefelsäure?«
    »Ich wüßt doch net wozu?«
    »War Euer Sohn kürzlich in der Stadt?«
    »Ja, gestern, in der Apothek’.«
    »Ach so! Was hat er da geholt?«
    »Krimmitattri.«
    »Was ist das?«
    »Na Krimmitattri, was denn anders? Ich muß ihn trink’n, weil mir sonst nix hilft geg’n den Kopfschmerz, den ich zuweil’n hab’.«
    »Ach so, Cremor tartari meint Ihr.«
    »Auf aan tari mehr oder weniger kommt’s bei uns net an.«
    »Und weiter hat er nichts gebracht?«
    »Nein.«
    »Ist die Kammer, in der er schläft, nur für ihn?«
    »Ja.«
    »So muß ich noch einmal hinauf!«
    Während er in der Kammer nach einer Spur der Säure suchte, fand vor der australischen Laube eine heftige Unterredung statt.
    Heiner hatte in seiner nach hinten gelegenen Kammer nichts von dem im Kantorsgarten statthabenden Wirrwarr gehört und war dann auf die gewöhnliche Weise und zur gewöhnlichen Zeit zum Stelldichein gegangen. Er hatte sich über die Scherben, die er am Boden der Laube fühlte, und auch über das Ausbleiben der Geliebten verwundert und stand eben im Begriff, nach langem Warten sein Versteck zu verlassen, als die Kantorstochter erschien.
    »Heiner, um Gotteswill’n, Du bist noch hier!«
    »Ja, aber ich wollt’ eb’n gehn. Warum erschrickst’ so darüber?«
    »Weil die Polizei Dich sucht.«
    »Mich? Unmöglich! Sag’, weshalb?«
    »Weg’n dem Vater, den Du mit Gift verbrannt hast. O Heiner, warum bist – – –«
    »Mit Gift verbrannt?« fiel er ihr in die Rede. »Du phantasirst wohl, Alwin’!«
    »So bist’s net gewes’n?«
    »Ist er denn verbrannt?«
    »Ach, fürchterlich!«
    »Wo denn?«
    »Hier in der Laub’! Und nun ist der Gensdarm hinüber, um Dich zu arretir’n.«
    »Mich? Gut’ Nacht, Alwin’!«
    Mit einem raschen Sprunge schwang er sich über den Zaun und stand nach wenig Augenblicken in seiner Wohnung vor dem Beamten.
    »Sie such’n mich?«
    »Ja. Wo kommen Sie her?«
    »Vom Kantorgart’n.«
    »Was haben Sie dort gewollt?«
    »Ich hab mit der Alwin’ gesproch’n.«
    »So! Wann sind Sie hinüber?«
    »Dies waaß ich net genau. Ich hab in der Laub’ gesess’n und auf sie gewartet. Denn erst jetzt hab ich von ihr erfahr’n, was passirt ist.«
    »So, also erst jetzt – –!«
    »Und daß Sie mich such’n. Drum bin ich gleich herüber gesprungen. Wer

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