Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
hat’s gethan, Herr Gensdarm?«
»Das wird sich finden. Jetzt aber gehen Sie mit mir.«
»Wohin.«
»Nach der Stadt auf das Amt.«
»Also arretirt! Ich bin’s aber doch net gewes’n!«
»Das zu ermitteln ist Sache des Untersuchungsrichters. Zunächst werde ich Sie einige Zeit beim Vorstand unterbringen, um den Thatort zu untersuchen. Ich hoffe, daß Sie mir keine Schwierigkeiten machen werden, die mich zu strengen Maßregeln veranlassen würden.«
»Wie soll das gehn?« frug jetzt der Alte erregt. »Zum Vorstand soll er geschleppt werd’n und nachher ins Amt? Und gethan hat er nix? Das woll’n wir ‘mal sehn, da bin ich auch noch da, und wer mir den Heiner angreift, den – – –«
»Sei ruhig, Vater!« fiel Heiner ihm in die Rede. »Mit Zorn machst’ die Sach’ nur schlimm. Ich geh gutwillig mit, denn das ist das Best’, was ich thun kann. Ich bin unschuldig und werd’ gar bald wieder daheim sein bei Dir.«
»Ja, wenn Du selber willst, so muß ich ruhig sein; aber wenn ich Dich net schnell wieder hab’, so komm’ ich selber nach und lauf Sturm im Gericht!«
Heiner wurde abgeführt. Im Vorüberschreiten sah er die Wohnstube des Kantors hell erleuchtet, wo der Verletzte auf dem Sopha lag, an seiner Seite eine fremde Wartefrau. Alwine durfte nicht vor ihn; er hatte sie mit harten, drohenden Worten von sich gewiesen und ihr ein-für allemal verboten, sich vor ihm sehen zu lassen.
Sie saß in ihrer Kammer und weinte, und da es ihr hier zu traurig und einsam wurde, so ging sie zu Direktors, welche durch das Ereigniß wach gehalten worden waren und sie nach ihrer Weise zu trösten suchten.
Ueberhaupt zeigte der Prinzipal der Künstlertruppe sammt seiner ganzen Familie während der folgenden für das Mädchen allerdings schweren Zeit eine außerordentliche Theilnahme für dasselbe. Der Vater blieb unerbittlich gegen sie; er schob die ganze Schuld seines Unglückes auf ihren Ungehorsam und gerieth fast in Raserei, wenn sie einen Versuch machte, sich ihm zu nähern. Auch vor Gericht wurde sie gefordert, um ihre Aussage zu thun, aber den Geliebten bekam sie dabei nicht zu sehen. Sie ahnte nicht, daß mit ihm ihr bester Schutz von ihr genommen sei. Vom Vater verbannt und nun auf sich selbst angewiesen, dachte sie nicht daran, beim Pfarrer oder sonst im Orte Anschluß zu suchen, sondern gab sich mit ungetheiltem Vertrauen Direktors hin, welche durch ihre Einflüsterungen einen Entschluß in ihr zur Reife brachten, dessen Tragweite sie nicht abzusehen vermochte.
So vergingen einige Wochen. Die Schauspieler hatten den Ort verlassen und sich, man wußte nicht wohin gewandt. Da erhielt sie einen Brief, den sie nach seiner Lesung sofort vernichtete. Er schien ihr eine schon erwartete frohe Botschaft gebracht zu haben, die sie veranlaßte, sich gar eifrig mit den fertigen Stücken ihrer Ausstattung zu schaffen zu machen. Sie verriegelte ihre Stube und begann einzupacken.
Während dieser Beschäftigung fiel ihr Blick durch das Fenster und auf eine bekannte Gestalt, welche, das Vogelgebauer unter dem Arme, drüben aus dem Häuschen trat, einen froh grüßenden Blick herüberwarf und dann in einen Querpfad einbog, der nach dem Walde führte.
»Der Heiner!« rief sie, halb froh, halb erschrocken. »Er ist frei, er ist wieder da; sie haben ihm nichts thun können! Soll ich noch einmal mit ihm sprechen? Ja, aber wissen darf er nicht, was ich vorhabe, sonst läßt er mich nicht fort von hier.«
Vom Vater unbeaufsichtigt, war es ihr jetzt leicht, das Schulhaus beliebig zu verlassen. Sie ging. Sie war mit Heiner als Kind oft im Walde herumgestrichen und kannte den Ort, wo er zu finden war. Den Berg emporsteigend, gelangte sie an eine Waldwiese, über welche der Blick frei schweifen konnte. Ihr Auge strich die Lichtung entlang und entdeckte den Gesuchten unter einer breitastigen Tanne, wo er im Moose lag. Sie eilte zu ihm hin.
»Heiner!«
»Alwin’!«
Er war emporgesprungen, hatte sie umfaßt und drückte sie mit einer Innigkeit an sich, welche vollständig Zeugniß gab von der Sehnsucht, mit welcher ihn nach ihr verlangt hatte.
»Bist’ wieder frei?«
»Ja, aus Mangel an Beweis’n, wie sie sagt’n; aber ich werd’ so lang such’n, bis ich entdeck, wer’s gethan hat. Komm und setz’ Dich zu mir nieder! Hast wohl auch nach mir verlangt, weil Du mir nachkommst so weit den Berg herauf?«
»Sehr, Heiner! Und ich konnt’ herauf, weil der Vater denkt, ich bin den ganz’n Tag beim Pfarr’ zum Besuch. Da
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