Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
schlug sie ihm selbst auf den Schädel nieder. Wie im Teichhofe, brach der Getroffene lautlos zusammen.
Dies Alles war das Werk eines Augenblickes gewesen, so daß Diejenigen, welche seinen Ruf gehört hatten und gefolgt waren, erst jetzt an seiner Seite anlangten.
»Hier liegt er; es ist der Balzer. Nehmt ihn fest und verwahrt die Sach’, die er gestohl’n hat!« gebot er und eilte über den Zaun wieder hinüber in das bereits brennende Haus. Dort hörte er den Ruf seines Vaters.
»Laßt All’s verbrennen, All’s, nur schafft mir die Vög’l hinaus, daß die armen Dinger net elend umkommen! Wo ist der Heiner? Ist er noch net da?«
»Hier bin ich, Vater! Hast’ das Geld?«
»Nein; es ist fort; die Truh’ ist erbroch’n.«
»So ist’s net verloren. Ich hab’ den Brandstifter festgenommen und er hat’s noch bei sich.«
Der angestrengten Thätigkeit der Rettenden gelang es, den größten Theil des Silbermann’schen Eigenthums zu bergen, das Häuschen selbst aber brannte vollständig nieder. Einer der Nachbarn trat zu Heiner.
»Hast’ für den Augenblick Zeit?«
»Wozu?«
»Sollst hinauf zum Kantor kommen.«
»Zu dem? Was will der mit mir?«
»Wirst’s schon sehen. Geh’ nur, er läßt Dich ganz freundlich bitt’n.«
Heiner drängte sich durch die Menge und betrat das Schulhaus seit langen, langen Jahren zum ersten Male wieder. Schon auf der Treppe vernahm er ein wüstes Geschrei, untermischt mit ganz entsetzlichen Klagelauten. Gerade auf demselben Sopha, wo damals der verletzte Kantor gelegen hatte, wand sich jetzt Balzer unter den fürchterlichsten Schmerzen und bot ganz denselben Anblick, wie ihn der Kantor gehabt hatte. Dieser trat mit seinen blöden Augen auf den Angekommenen zu.
»Bist’s, Heiner?«
»Ja.«
»Ich hab’ Dich zu mir geboten, um Abbitte zu thun.«
»Wofür?«
»Für alles Leid und Unrecht, welches ich Dir verursacht und angethan habe. Schau, dort liegt der Balzer, vor Schmerzen fast wahnsinnig, und seine Qualen haben ihm das Geständniß ausgetrieben. Die Säure hat damals Dir gegolten, aber mich getroffen; er hat es aus Eifersucht gethan. Auf dem Teichhof ist er eingebrochen, wo Du ihn vertrieben hast, und heut wollte er Dich erst bestehlen und Dir dann mit der Säure das Gesicht nehmen. Er hat sie sich zu diesem Zwecke so lange aufgehoben; Du aber hast die Waffe umgedreht, und nun liegt er da, ein Zeugniß des gerechten Strafgerichtes des Höchsten, der jede Schuld gerade in derselben Weise bestraft, in welcher sie begangen wurde. Kannst Du mir vergeben?«
Heiner schlug tieferschüttert in die dargebotene Hand ein.
»Ich kann und will, Herr Kantor! Ich bin zwar bös und zornig auf Euch gewes’n, aber gehaßt hab’ ich Euch doch niemals net; dazu hab ich Euch zu viel zu verdank’n«
»So mag die alte gute Nachbarschaft von Neuem zwischen uns bestehn! Eure Wohnung ist verloren. Kommt herüber zu mir bis sich eine bessere Aushülfe gefunden hat.«
»Ich nehme es an und werde auch den Vater herüberschicken!«
Die Kunde von dem Schicksale Balzers ging von Mund zu Mund, doch seine Höhe hatte es noch nicht erreicht. Der Gensdarm stellte sich ein, hörte die Aussage der betreffenden Zeugen, vernahm auch seine eigene Anklage, die er laut brüllend unter Flüchen und Verwünschungen ausstieß, und befahl, ihn zum Vorsteher zu transportiren. Alles wich dem Verruchten aus, als er durch die Menge halb getragen, halb geschleppt wurde, und mit Schaudern vernahm man noch von Weitem seine gellende Stimme, mit welcher er bald Heiner, bald sich und bald Gott selbst die Schuld an seinen Qualen beimaß.
Der Erstere stand in der Nähe des niedergebrannten Hauses und starrte düster in den noch immer glühenden und qualmenden Schutt. Da legte sich eine kleine Hand auf seinen Arm.
»Heiner!«
Er drehte sich um.
»Alma!«
»Ja, ich bin’s. Ich hab’ mich von dem Knecht herführ’n lass’n, um Dir die Botschaft zu bringen von der Mutter.«
»Welche?«
»Du sollst zu uns kommen mit dem Vater und bei uns wohnen, so lang als es Euch gefällt.«
»Alma, ist’s wahr?«
»Ja. Die Mutter sagt, ich soll Dich zu niemand Anders lass’n.«
»Ich kann’s net annehmen. Ich mach’ Euch Last und Unruh’.«
»Nein. Der Hof ist groß und hat mehr Raum als nur für Euch. Und wenn Du meinst, daß Du uns überflüssig bist, so kannst’ ja Hofmeister oder Verwalter sein, bis Du wieder aufgebaut hast oder ‘was Bessers findst!«
»Bleib stehn, Alma; ich muß den Vater
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