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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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es von Herz’n gern thun!«
    »Hab Dank, Heiner!« Er ergriff die Hand des jungen Mannes. »Und nun will ich Dir Eines sagen: wenn heut Alwine lebte und Du begehrtest sie zum Weibe, ich gäbe sie niemanden lieber als Dir!«
    Er wankte hinaus. Heiner führte ihn bis vor den Hof. Alma bemerkte es und kam herbei.
    »Was hat der Kantor bei Dir gewollt, Heiner?«
    »Ich soll die Kantat’ mitsingen.«
    »Und hast’ zugesagt?«
    »Ja.«
    »So mußt’ aber auch all’ Tag’ mit mir zu ihm in die Uebung gehn! Willst?«
    »Nimmst mich denn gern mit?«
    »Ungern net, aber gern!« lachte sie und schlüpfte fort.
    So kam es auch. Wenn die Dämmerung hereinbrach, wanderten sie nun täglich zum Kantor und nach der Uebung wieder zurück. Dabei legte sie vor dem Dorfe immer ihren Arm in den seinen, damit sie im Schnee nicht strauchle. Das waren selige Gänge für Heiner, denn dann war er mit ihr allein und konnte immer tiefere Blicke thun in den Reichthum ihres reinen, engelhaften Gemüthes.
    Auf einem der Nachhausewege frug sie, mitten im Gespräch abbrechend:
    »Wer singt den Sopran besser, Heiner, die Alwin’ oder ich?«
    »Du.«
    »Warum?«
    »Weil Du im Herz’n stets Weihnacht’n hast; das klingt dann ächt und wahr. Nur Aans ist der Alwin’ besser gelungen, weil ihre Stimm’ größ’re Macht gehabt hat, nämlich die Arie ›Ich verkünde große Freude.‹ Das muß wie Engelsruf über alle Felder und Hirt’n hinwegbraus’n, und dazu ist Dein Organ zu zart.«
    »Und nun sag’ auch, mit wem hast’ lieber gesungen, mit ihr oder mit mir?«
    »Frag’ den Kantor!«
    »Wie so?«
    »Er sagt, daß ich mit Dir besser sing’ als mit der Alwin!«
    »Aber auf sie hast’ Vers’ gemacht!«
    »Warum, das hab ich Dir schon gesagt als wir damals zur Stadt fuhr’n.«
    »So darfst’ bei mir net?«
    Sie schlang die Hände über seinem Arm zusammen und hob ihr liebes Gesicht zu ihm empor.
    »Nein!«
    »Aber ich hab’ dich doch gerade damals darum gebet’n, Heiner!«
    »Ich – ich darf net.«
    »Sie schwieg nachdenklich, dann rezitirte sie halblaut:
     
    ›Es war ihr Bild, nein, nicht ihr Bild,
    Sie selbst war’s, doch verklärt.
    Und nun ist aller Schmerz – – –‹«
     
    »Alma!« fiel er erschrocken ein; »wo hast’ dies Gedicht her?«
    »Gefund’n?«
    »Wo, sag’ wo! Ich hab’s verlor’n oder versteckt und überall vergebens gesucht.«
    »Willst’ es wieder hab’n oder darf ich es behalt’n?«
    »Ich kann Dir’s net lass’n, ich darf Dir’s net lass’n. Gieb’s wieder zurück!«
    »Bitt, Heiner, laß es mir!«
    »Nein, nein, es gehört mir!«
    »Dir! Und ich hab gedacht, es sei Jemand damit gemeint. Geh, Heiner, Du hast mit der Alwin’ viel lieber gesungen als mit mir! Willst es gleich hab’n, das Gedicht?«
    »Ja,« antwortete er zögernd und gepreßt.
    »Da, nimm!«
    Sie blieb stehen und zog an einer Schnur, die am Halse unter dem Kleide verlief. Es hing ein Medaillon daran, welches sie öffnete; es lag nichts als ein zusammengebrochener Zettel darin.
    »Ist es das, Alma?«
    »Ja. So nimm doch!«
    Er zögerte.
    »Und wirst’ dann bös auf mich sein?«
    »Nein; das kann ich nie!«
    Er hörte das leise Beben ihrer Stimme; er sah, daß die treuen, klaren Augen wie flehend zu ihm emporschauten, und neigte sich zu ihr nieder.
    »Alma,« sprach, nein, flüsterte er in jenem Tone, den man im Leben nur einmal kennt, »Hast’ erfahren, was Dein Nam’ bedeutet?«
    »Ja, er heißt Seele.«
    »Und kein andrer Nam’ hätt’ für Dich gepaßt, so viel’ tausend es auch giebt.« Er zog sie an sich, und beinahe zitternd zwischen Hoffen und Fürchten erklang die leise, innige Frage: »Sag’, Alma, willst’ meine Seele sein, mein Glück, mein Leb’n und meine Seligkeit, jetzt und immerdar?«
    »Darf ich denn, Heiner?«
    »Ob Du darfst? Sag’ ja, Alma, sonst waaß ich net, was mit mir wird; ich muß eingehn, wie der Baum ohne Land, ich muß sterb’n, wie die Blum’ ohne Sonne oder wie der Gedank’ ohne das Wort, das ihn umschließt. Alma, Du hast mir den Tag wiedergegeb’n nach langer Nacht, laß es net wieder dunkler werd’n als es zuvor war! Sag’ also, magst’ meine Seele sein?«
    »Ja!« hauchte sie unter unaussprechlicher Wonne.
    Er umarmte und er küßte sie nicht, aber er legte ihren Kopf an sein Herz und strich ihr mit der Hand lind über das volle, seideweiche Haar, welches unter dem zurückgefallen Kapuchon hervorquoll.
    »So leg’ Dein Köpfle hierher, Du Engel Du; da soll er ruh’n und

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