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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Pfade mehrere Straßenkrümmungen durchschritten hatte, stand er auf der Höhe und sah die Forstschenke vor sich liegen. Er nahte ihr von der Waldseite und trat durch die Hinterthür ein, um sich von der anwesenden Wirthin ein Glas Bier geben zu lassen.
    Er nahm in der Nähe des offenstehenden Fensters Platz und bemerkte einen draußen haltenden Korbwagen, an welchem der theilnahmslos vor sich hinblickende Knecht lehnte. An dem vor der Thür in die Erde eingemauerten Tische saßen die Beiden, von denen der Alte gesprochen hatte. Der Lieutenant war einer jener Schüler des Mars, die ihre wohlkosmetizirte Erscheinung für ebenso unwiderstehlich halten wie die Klinge ihres Degens; das war ihm auf den ersten Blick anzusehen. Von seinem stutzerhaften Aeußern stach die hohe, einfache und schlicht gekleidete Gestalt des Thorbauern, aus dessen Gesicht zwei leb-und ausdruckslose Augen starrten, gewaltig ab. Sie hatten das Erscheinen des jungen Mannes nicht bemerkt und fuhren in ihrer laut gepflogenen Unterhaltung ungenirt fort.
    »Ja,« meinte der bei ihnen stehende Wirth, »Eure Red’ in aller Ehr’n, aber es können noch dreimal so viel Soldat’n kommen, wie Ihr habt, dem Grenzmeister kommt Ihr doch net bei. Ihm ist die ganze Grenz’ hier unterthan, davon hat er doch auch den Namen; seine eignen Leut’ wissen net, wer er ist, aber gehorsam sind sie ihm auf jedes Wort und jeden Wink, denn es soll gar schrecklich sein, mit ihm Feind zu werd’n. Drum steht er auch sonst überall gewaltig in Respect, so daß auch der beste Unterthan net wagt, etwas geg’n ihn zu thun. Wer’s dennoch unternimmt, der ist verlor’n. Ihr habt ja selber die Leich’n gefunden von denen, die ihm in den Weg gekommen sind. Es ist grad wie vor zwanzig Jahr’n. Wer ihn in Gefahr bringt, der muß sterb’n oder wird geblendet. Der Schubert hier kann auch ein Wörtle davon red’n!«
    »Wieso?« frug der Offizier.
    »Weil grad’ auch ihm der Grenzmeister das Aug’nlicht genommen hat.«
    »Euch, Thorbauer? Ist das wahr?«
    »Leider!« antwortete dieser, während es halb wie Trauer sich über sein Gesicht legte, halb wie Grimm über dasselbe zuckte.
    »Erzählt, erzählt. Das muß ich hören!«
    »Ich muß Euch sag’n, daß ich auch Soldat gewes’n bin. Ich war Korporal und wurd’ nachher hier bei der Grenz’ angestellt und in Gründorf stationirt. Der damalige Thorbauer hatt’ das einz’ge Kind, die Anna, das schönste und liebste Madel weit und breit, und es dauerte net lang, war ich mit ihr eins.«
    »Und hast sie auch bekommen,« fiel der Wirth ein, »obgleich der Wies’nbauer sie Dir wegschnapp’n wollt’ und ihr nachgegangen ist auf Schritt und Tritt. Er war kurz vorher aus dem Zuchthaus entlassen und wär’ vielleicht noch heut nix werth, wenn er die Wies’nbäuerin net bekommen hätt’. Sie war Wittwe, hatt’ nur das einz’ge Kind, den Heiner, und bracht’ ihm das Anwes’n mit, das er so viel vergrößert und verschönert hat.«
    »Wie! Der Wiesenbauer, bei dem ich wohne, hat im Zuchthaus gesessen?« frug der Offizier überrascht.
    »Ja,« antwortete der Wirth mit zweideutigem Lächeln, »aber er wird’s Euch nur net gesagt hab’n. Er war auch an der Grenz’ angestellt; aber es kam heraus, daß er’s im Stillen mit den Paschern hielt und viel Geld von ihnen bezog. Das hat ihn auf mehrere Jahr’ hinter Schloß und Riegel gebracht. Schad’ um die Wies’nbäu’rin, die mit ihm ein grausam schlimmes Loos gezog’n hat, und um den Heiner, der so gut und brav ist wie nur irgend Einer und nur den Sclav’ und Leibeig’nen gemacht hat, bis er zum Militair gezog’n wurd. Dess’ ist er froh gewes’n und hat sich auch net ein einzig Mal auf Urlaub blicken lass’n. Er muß nun bald los sein.«
    »Morgen kommt er, wie mir der Wiesenbauer sagte,« meinte der Offizier. »Aber, fahrt jetzt fort, Schubert!«
    »Also,« erzählte dieser weiter, »die Anna war reich, deshalb wollt’ ich’s gern vorwärts bringen und gab mir alle Müh’, meine Pflicht und noch mehr zu thun. Der Grenzmeister hatt’ grad angefangen, das Gebirg’ unsicher zu mach’n, und ich lag Tag und Nacht im Wald’, um ihm das Handwerk zu leg’n. Das hat er auch gewußt, denn es ist mir gar manche Drohung von ihm zugegang’n, aber es ist mir net eingefall’n, darauf zu hör’n. Da geh’ ich ‘mal am Abend beim alt’n Schacht vorüber, den sie vor Zeit’n zugeschüttet hab’n, und seh darüber eine Helligkeit, als ob ein Feuer drunt’n angemacht

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