Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
sei. Leis’ schleich ich mich hinzu, kriech’ die Böschung hinauf und leg’ mich auf den Schutt, um in den Zusammenbruch hinabzuschaun. Drunten sitz’n acht Männer um das Feuer; die Büchs’n lieg’n bei ihnen und die Packete auch, welche Schmuggelgut enthalten hab’n. Ich will gern hör’n, was sie sprechen, und ich schieb mich deshalb noch etwas weiter vor. Da aber giebt das Geröll nach, rollt hinab, und ich schieß hinunter, mitt’n unter sie hinein. Im Nu sind sie über mich her, und ich bin gefesselt und geknebelt eh’ ich mir’s verseh’. Gekannt hab ich net einen Einzigen von ihnen, sie mich aber auf der Stell’!«
»Holla, der Schubert!« hat’s gerufen. »Wie gut, daß Keiner aus Gründorf dabei ist! Er will net auf uns’re Warnung hör’n, und nun müss’n wir ihn dem Meister bringen.«
»Ob ich gewollt hab’ oder net, das war ganz gleich; sie hab’n mir die Augen verbund’n und mich mit sich fortgeschleppt. Es ist immer durch Busch und Wald gegangen, bis wir endlich an einem Ort gehalten hab’n, wo der Bod’n weich und moosig gewes’n ist und es einen Geruch ringsum gegeben hat, den ich noch nie gefund’n und mir nachher scharf eingeprägt hab.«
»Bück’ Dich!« hat’s geheiß’n, »und als ich’s thu, werd’ ich durch ein Loch geschob’n, durch welches sie mir folgen. Da sind wir in ein Gemach oder eine Höhl’ gelangt, wo ich hab’ aufrecht stehen können. Hier mußt’ ich mich niedersetzen auf den Sitz, der ein Klotz gewes’n ist, und dann blieb es still um mich, bis der Meister gekommen ist. Er hat Berathung gehalt’n mit leiser Stimme und ich konnt’ nix davon verstehn als nur zuletzt:«
»Er soll Euch net wiedererkennen!«
»D’rauf wird mir die Bind’ abgenommen, und als ich nun die Aug’n aufthu’ und um mich sehen will, da kracht ein Schuß mir grad vor dem Gesicht los, und ich stürz’ zusammen, aber net todt, sondern blos vor Schreck und Schmerz, denn das Pistol war nur mit Pulver gelad’n, das mir in die Aug’n gefahren ist. Ich hab’ gestöhnt und gewimmert vor Qual, sie aber hab’n darüber gelacht und mich zurückgeschafft in’s Dorf bis vor meine Thür.«
Er schwieg. Auch abgesehen von den Augen waren in seinem Gesicht die Spuren jenes fürchterlichen Schusses noch deutlich zu erkennen. Der Blick des Offiziers ruhte zwar mitleidig, aber doch nicht ohne Selbstbewußtsein auf ihm.
»Das war teuflisch raffinirt und grausam von den Hallunken,« meinte er; »aber hättet Ihr eine bessere Taktik befolgt, so wäre es nicht geschehen. Ihr mußtet sofort Succurs holen und sie festnehmen, ohne sie erst ewig belauschen zu wollen!«
»Das ist Eure Ansicht, aber net die meine. Mir lag grad’ eben so viel an dem Meister wie an ihnen, und ich wollte sehn, ob er dabei sei, oder doch ‘was über ihn zu vernehmen. Nachher hab’ ich lang’ darnieder geleg’n; die Aerzt’ sind gekommen, um an mir herum zu schneid’n und zu quacksalbern, aber das Aug’nlicht ist doch weg gewes’n, das hab’n sie mir net wiederschaff’n könn’n. Was wär’ nun aus mir geword’n mit der Pension, von der ich gar net red’n mag! Aber die Anna ist mir gut geblieb’n; sie hätt’ nun gar andre Parthie’n gehabt, und der Oppermann hat schier Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie mir abspenstig zu mach’n. Sie ist meine Frau geword’n, und ich hab’ nachher den Thorhof geerbt, der mich ernährt, trotz meiner armen Aug’n, die mir noch jetzt oft solch’n Schmerz bereit’n, daß mir nix hilft, als Sonnenthau, den ich mir holen lass’, um ihn aufzuleg’n.«
»Und der Grenzmeister?«
»Der ist schadlos ausgegangen. Die Behörd’ hat alles gethan, um seiner habhaft zu werd’n, es hat nix genutzt; denn ist auch ‘mal ein Pascher oder Wild’rer festgenommen word’n, so hat er ihn doch net verrath’n, entweder weil er wirklich nix gewußt oder aus Angst vor ihm geschwieg’n hat. Doch ist es ihm mit der Zeit zu schwül geword’n, so daß er das Handwerk aufgegeben hat. Vielleicht ist’s auch nur mit größ’rer Still’ betrieben word’n, bis jetzt der neue Zolltarif auch neue Lockung giebt. Ich selber hab’ mich nachher wol tausendmal hinausführ’n lassen in den Wald und ihn Strich um Strich durchgenommen, um den Geruch wiederzufind’n, der mir damals so aufgefallen ist, aber vergebens. Er ist so scharf und stechend gewes’n, gar net wie von einer Pflanz’ und doch dabei so fein wie von Hollunderblüth’. Wo der Geruch ist, da muß
Weitere Kostenlose Bücher