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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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beklommen, und doch hätte er vor Freude laut rufen mögen.
    »Ich werd’ beobachtet? Wer soll mich denn beobacht’n, und weshalb?«
    »Das darf ich Ihnen nicht sagen – –«
    Es war sonderbar; auch aus ihrem Munde klang diese Antwort.
    »Sie dürf’n net? Aber vorhin wollt’n Sie mir doch ‘was sag’n!«
    »Eine Bitte ist es, die ich aussprechen möchte. Wollen Sie mir dieselbe erfüllen?«
    »Gern, o wie gern! Ihnen könnt’ ich nix abschlag’n!«
    »So gehen Sie jetzt schlafen, wenn Sie nach Hause kommen. Gehen Sie nicht weiter!«
    Er stutzte.
    »Warum?«
    »Weil Sie sich sonst in eine große Gefahr begeben.«
    Das helle Dachfenster war ihm auch von hier sichtbar; aber seine Gedanken waren jetzt ganz andere, als vorhin. Er hätte die gegenwärtige Minute um keinen Preis der Welt verkauft. Die Tochter des Offiziers war ihm heimlich nachgekommen, um ihn zu warnen. Er war ein einfaches, ungebildetes Dorfkind, aber er sagte sich, daß sie sich zu dieser Warnung nur nach einem Kampfe mit ihrem Gewissen habe entschließen können, und dieser Kampf, er hatte wegen ihm stattgefunden, wegen ihm, der es niemals gewagt hätte, aus freien Stücken mit dem schönen Mädchen nur zu sprechen.
    »Und ich soll wohl net in Gefahr sein?« frug er leise und mit stockendem Athem.
    »Nein!« klang es zögernd und ebenso leise.
    »Warum net?«
    Sie schwieg; dann bot sie ihm die Hand.
    »Gute Nacht!«
    Er ergriff das kleine Händchen und hielt es fest. Er wußte nicht, woher ihm so plötzlich der Muth kam, aber er frug dringender:
    »Warum net, Anna?«
    »Weil ich es nicht will. Also Sie bleiben zu Hause?«
    »Soll ich nur die Wahrheit sag’n?«
    »Ja!«
    »Ich darf net zu Hause bleib’n, nun erst recht net, das bin ich den Andern schuldig. Aber Gefahr gibt’s jetzt keine mehr für mich, Anna.«
    »Ist das auch wahr?«
    »Ja!« versicherte er einfach, aber sie hörte es dem Klange dieser kleinen Silbe an, daß die Warnung ihren Zweck erreicht habe. »Und nun möcht’ ich gern auch ‘mal bitt’n!«
    »Sprechen Sie!«
    »Sein Sie mir net bös weg’n – weg’n – –«
    Er stockte. In diesem Augenblicke erschien ihm das, was er vorher wirklich für kein Unrecht gehalten hatte, erst im wahren Lichte.
    »Ich bin Ihnen nicht bös. Aber thun Sie es nie wieder, bitte, bitte! Wollen Sie mir das versprechen?«
    Er streckte ihr beide Hände entgegen.
    »Ich versprech’s, Anna, ich versprech’s zehnmal, hundertmal, tausendmal, aber Sie müss’n auch ‘mal Franz zu mir sag’n!«
    Wieder schwieg sie. Er hielt ihre Hände gefaßt und lauschte auf die Erfüllung seines Wunsches.
    »Gute Nacht, Franz!« flüsterte sie endlich mit fast ängstlicher Stimme.
    »Gute – –«
    Er vollendete den Gruß nicht, denn vor ihnen tauchte in diesem Augenblicke eine dunkle Gestalt auf, die sich längs des Zaunes und unbemerkt in ihre Nähe geschlichen hatte. Es war Heinrich.
    Er sprach kein Wort; der Grimm raubte ihm das Vermögen dazu. Aber er erhob den Arm, und von der geballten Faust mit aller Wucht gerade an der Schläfe getroffen, stürzte Franz zusammen. Anna sah es nicht; sie war, sobald sie den Dukatenprinz erblickte, heftig erschrocken davon geeilt. Dieser folgte ihr. Er wußte nicht, was er gethan hatte; die Ueberlegung war ihm vollständig verloren gegangen, so daß er gar nicht an die Möglichkeit dachte, daß der Geschlagene todt sein könne. Ohne die Fliehende erreicht zu haben, gelangte er in sein Zimmer, wo er in sinnloser Wuth auf und nieder rannte.
    War sein Blut einmal in Aufregung gebracht, so pflegte es sich nicht so schnell wieder zu legen; jedes neue Wort, jeder neue Gedanke brachte die Wogen in neue Wallung. Er öffnete einen Schrank, nahm eine Büchse nebst Schießbedarf aus demselben und schlich sich hinunter auf die Straße. Franz war fort.
    »Hab’ mir’s doch gedacht, daß er net zum Tode getroff’n war. Aber das thut nix, sterben muß er dennoch! Er hat mir ja gesagt, daß es heut’ ein Unternehmen gibt, und ich weiß den Ort, wo er vorüberkommen muß!«
    Das Gewehr über die Schulter werfend, eilte er nach dem Walde.
    Franz war nur betäubt gewesen und bald wieder zu sich gekommen. Er raffte sich empor und ging nach Hause, wo er des Vorkommnisses mit keinem Worte gedachte. Nach kurzer Zeit verließ er das Häuschen vorsichtig wieder und schritt eilenden Laufes wie Heinrich dem Walde zu.
    Jedenfalls war Anna Zeugin einer dienstlichen Unterredung bei ihrem Vater gewesen, und aus ihrer Warnung ging hervor,

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