Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
warfen und ihn emporrissen. Es waren Soldaten.
    »Der Lieutenant ist es; der Mensch hat ihn erschossen!« rief Derjenige von ihnen, welcher den Todten zuerst erkannte.
    »Bindet ihn; schnürt ihn zusammen, daß er sich nicht rühren kann!« rief er im Kreise.
    Er demonstrirte gegen diese Maßregel und versuchte, ihnen den wahren Sachverhalt darzustellen; sie aber hörten nicht auf seine Vertheidigung und wollten nichts Anderes von ihm wissen, als wo er die Büchse hingeworfen habe.
    »Ich hab’ net geschoss’n, ich hab’ kein Gewehr gehabt! Wer’s gewes’n ist, das hab’ ich net geseh’n, sondern nur den Blitz da drüb’n in den Kiefern!«
    »Ausrede!« rief der Unteroffizier, welcher das Wort genommen hatte. »Wir werden das Gewehr schon noch finden, und dann wird es sich wohl zeigen, daß es Dir gehört!«
    Er untersuchte seinen regungslosen Vorgesetzten und entschied dann:
    »Er ist todt, auf der Stelle todt gewesen. Wir müssen ihn hier liegen lassen bis zur gerichtlichen Feststellung des Thatbestandes. Ich transportire mit drei Mann den Gefangenen in die Stadt und mache Anzeige, der Sergeant aber mit den Uebrigen bleibt hier, um dafür zu sorgen, daß Alles genau so bleibt, wie wir es gefunden haben. Der Ort wird von Posten umstellt. Die Pascher werden ebenso wie wir den Schuß gehört haben und davon bleiben, aber wir müssen auch alles sonstige Andere zu vermeiden suchen, wodurch irgend eine Spur verwischt werden könnte.«
    Es wurde dieser Anordnung sofort Folge geleistet. Man schloß einen weiten Postenkreis um den Schauplatz des Mordes, und nachdem der Unteroffizier befohlen hatte, auf Jeden zu schießen, welcher auf dreimaliges Anrufen nicht antworte und sich zurückweisen lasse, ließ er von seinen drei Leuten den Gefesselten in die Mitte nehmen und marschirte, das Gewehr schußfertig in der Hand, mit ihnen ab.
    Die Kunde, der Grunert-Franz habe den Lieutenant erschossen, weil er von ihm beim Schwärzen ertappt worden sei, verbreitete sich schon am frühen Morgen wie ein Lauffeuer durch die ganze Gegend, und wer es nur möglich machen konnte, der eilte zur Stelle, um Zeuge von dem Aufheben der Leiche zu sein. Der Staatsanwalt war schon vor Tagesgrauen unter Gendarmeriebegleitung angekommen, trotzdem er sich die Zeit genommen hatte, den Gefangenen erst aufzusuchen. Dieser hatte ihm den Vorgang wahrheitstreu berichtet und nur verschwiegen, was in Beziehung auf den Dukatenprinzen zu sagen gewesen wäre. Der gewissenhafte Beamte richtete seine Rekognition nach diesem Berichte ein und mußte allerdings bemerken, daß unter dem tief herabhängenden Tannigt zur Zeit der That Jemand gelegen haben müsse, wie das Geknicktsein mehrerer Zweige und deren noch frische Bruchstellen bewiesen. Auch der Ort, an welchem der Schütze gestanden hatte, wurde gefunden, doch waren die in dem verdorrten Heidelbeergesträuch befindlichen Spuren nicht der Art, daß ein weiterer Anhalt gewonnen werden konnte, ebenso wie der auf dem Moose entdeckte Pfropfen, da er aus Werg bestand, nur dazu diente, die Aussage über die Richtung des Schusses zu bestätigen.
    Trotz dieser Umstände und des für ihn sprechenden Eindruckes, welchen Franz während der Verhöre auf den Untersuchungsrichter machte, mußte die Anklage aufrecht erhalten werden, da die Verdachtsmomente zu dringend erschienen und er ganz besonders über den Zweck seines nächtlichen Waldbesuches sich nicht aussprechen wollte. Eine lange Reihe von Monaten umschlossen ihn die Mauern des Gefängnisses, ehe es zur richterlichen Entscheidung kam. Der gewandte Vertheidiger stützte sich zumeist auf einen Umstand, welchem bisher nicht die gehörige Beachtung geschenkt worden war: Man hatte die Kleider des Angeklagten mit Blut bespritzt gefunden; dies konnte nur dadurch möglich sein, daß er im Augenblick des Schusses sich wirklich in der nächsten Nähe des Ermordeten befunden hatte, und da es erwiesen war, daß der Schuß aus ziemlicher Entfernung abgefeuert worden war, so konnte er unmöglich der Mörder sein. Er wurde wegen mangelnder Beweisgründe freigesprochen und durfte seine Haft verlassen.
    Es war an einem dunklen Abende, als er das heimathliche Dorf wieder betrat und seine Schritte nach dem Häuschen richtete, in welchem, wie er wußte, ein liebendes Herz seiner Rückkehr harrte. Wenn Alle ihn verurtheilten, Zwei thaten es nicht: die Mutter, weil sie an ihr Kind glaubte, und der Heinrich, welcher seine Unschuld kannte. Wem der Schuß eigentlich gegolten hatte, das

Weitere Kostenlose Bücher