Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
braucht. Da hab’ ich Alles geseh’n, die Leut’, welche die Bündel bracht’n und dann wieder gingen, den Mann, der das viele Geld bekam, und den – den – na, den Pascherkönig, der nachher auf mich gestoß’n ist und hat mich umbringen woll’n. Aber da ist er an den Unrecht’n gekommen, denn wenn der Andere net gewes’n wär, so hätt’ es keine Minute länger mit ihm gedauert. Nun aber ist er ausgeriss’n. Er hat Deine Montur geseh’n und gedacht, das ganze Militär ist da.«
»Wart’, bei dem Gedank’n woll’n wir ihn gern lass’n!« lachte Wilhelm und brannte in unregelmäßiger Pausenfolge noch einige Schüsse ab. Sodann lud er wieder und reichte einen der Revolver dem Pathen.
»Hier, Franz, nimm, daß Du Dich wehr’n kannst, denn Du mußt dableib’n als Wache für die Päcke. Ich aber muß wiss’n, wer der Pascherkönig ist; ich spring’ ihm nach.«
»Dableib’n, das will ich schon, aber sag’ mir nur, wie ich dies kleine Ding alleweil anzupack’n hab’!«
Wilhelm erklärte ihm flüchtig die Konstruktion der Schießwaffe und entfernte sich dann. Er wußte, daß er dies wohl wagen dürfe, denn von den Schmugglern war keiner zu erwarten und allen anderen Fährlichkeiten gegenüber hatte der furchtlose Franz gewiß nicht die mindeste Bangigkeit. Wohin er seine Schritte zu lenken habe, das wußte er ganz genau. Der Pascherkönig nahm jedenfalls an, daß er erkannt worden sei, und daß man sofort nach seiner Wohnung eilen werde, um dort auszusuchen und ihn nach Umständen fest zu nehmen, und deshalb war er ganz gewiß bestrebt, sie noch vor seinen Verfolgern zu erreichen. Darum durchschnitt Wilhelm den Wald in gerader Richtung auf den Dukatenhof zu, ging, dort angekommen, nach der hinteren Seite des Gutes und nahm sich vor, den Bauer unter allen Umständen gleich als Schmugglerhauptmann anzureden; nach dem Verhalten desselben wollte er dann in Beziehung auf Emma auch das seinige einrichten.
Diese Voraussetzungen zeigten sich als ganz richtig. Durch den würgenden Druck von Franzens Händen fast zur Besinnungslosigkeit gebracht, hatte der Dukatengraf nicht diejenige Geistesgegenwart gehabt, welche nothwendig war, die Lage der Sache sofort zu begreifen. Er hielt sich wirklich von Militär und Grenzjägern überfallen und sah es als eine ganz besonders glückliche Fügung an, daß er ihnen entkommen war. Erst als er aus dem Walde in das freie Feld gelangte, gönnte er sich einen Augenblick Ruhe, um Athem zu schöpfen.
»Verlor’n, Alles verlor’n!« murmelte er, ingrimmig die Fäuste ballend. »Das viele Geld ist hin, die köstlichen Packete sind fort, ich bin zum Bettler geword’n, grad’ wie der Grunert-Franz. Und wenn mir nun noch der Klotz über die Beine geht, so schnall’ ich mich in den Rollkast’n und fahr’ mit ihm im Land herum zum Köpflemal’n. So weit hat’s der Dukat’nbauer gebracht, und es ist nur noch tausend Wunder, daß mich keiner von den vielen Schüss’n, die sie mir nachgeschickt hab’n, getroff’n hat. Und das hab’ ich Alles dem Bub’n zu verdanken, dem Wilhelm, der mir vom Garten weg nachgeschlich’n ist, um Rache an mir zu nehmen. Er hat den Handel belauscht und nachher die Buntröcke herbeigeholt. Ich hab’ ihn gleich an der Stimm’ erkannt, und er mag sich nun hüten, daß er mir net ‘mal im Wege steht, sonst ist es aus mit ihm! – Auch der Franz, der Krüppel, der elende, hat sich vor lauter Rachsucht hinausgeschleppt. Hätt’ ich ihn nur gleich erschlag’n!«
Er warf die Hände drohend nach rückwärts und schritt dann dem Dorfe zu.
»Ich muß mich sput’n, daß ich nach Haus’ komm’, sonst sind sie eher da und nehmen mich vom Felde weg! Ich geh’ zu Bett’, und nachher kann mir Niemand nix anhab’n. Aber durch’s Dorf darf ich net, damit ich net gesehen werd’!«
Dieser Umweg war die Veranlassung, daß er später als Wilhelm auf dem Hofe ankam. Er sah die Möglichkeit ein, daß die gefürchteten Verfolger schon eingetroffen sein könnten, und gebrauchte daher bei seiner Annäherung die äußerste Vorsicht. Nur in kriechender Stellung legte er den Weg durch den Garten zurück, und bei den beiden Stämmen angekommen, strengte er die ganze Schärfe seines Gesichtes und Gehöres an, um zu erfahren, ob Gefahr für ihn vorhanden sei.
»Hab’ mir’s doch gleich gedacht,« bemerkte er in sich hinein; »dort lehnt Einer am Fensterlad’n, grad’ da, wo damals der Franz gestand’n ist. Der hat’s klug angefang’n, so daß
Weitere Kostenlose Bücher