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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geheimes Fach enthielt, welches Kaiser öffnete, um einige Kästchen und sorgfältig umwundene Packete hervor zu langen. Kaum hatte er die Vorrichtung wieder geschlossen und die Uhr in ihre vorige Stellung zurückgebracht, so trat der Steinmüller ein.
    »Schieb’ den Riegel vor, Müller, und komm dann her, damit Du Dir die Steine und das Geschmeide anschaust!«
    Er öffnete die Etuis und löste die Umhüllungen. Mit gierigen Augen und unter bewundernden Ausrufungen betrachtete der Müller den kostbaren und in allen Farben funkelnden Inhalt.
    »Du bist ja nicht gescheidt, daß Du einen solchen Reichthum bei Dir unnütz im Kasten liegen läßt! Gib her, das muß ich greifen!«
    Während er jeden einzelnen Schmuckgegenstand wie taxirend in den Händen wog, verzerrte die Habgier seine Züge, und ein anderer Mann als der Kaiserbauer hätte aus seinem unbeherrschten Lächeln sehr leicht auf Gedanken schließen können, die keiner lauteren Quelle entsprangen.
    »Der Vater hat nicht gewußt, wie er die Sachen los werden sollte, und ich auch nicht. Jetzt ist aber Dein Schwager Juwelenhändler und ich hab’ Vertrauen zu Dir gefaßt und Dir die Geschichte erzählt. Wenn mein Bub’ Deine Tochter nimmt, so kannst Du mich nicht verrathen, und Dein Schade soll’s nimmer sein, wenn Dir die Sache gelingt. Wird er die Steine kaufen?«
    »Ich denk’! Er sagt, ich soll sie ihm nur bringen, damit er sie sehen und taxiren kann. Aber bald, noch diese Woche, weil’s ihm grad’ mit der Zahlung paßt.«
    »Nein, das geht nicht. Erst muß die Heirath fertig sein, eh’ ich es wage. Ich hab’ Dir die Gegenstände nur gezeigt, um Dich zu überzeugen, daß ich die Wahrheit gesprochen hab’.«
    »Warum nicht früher? Du wirst doch nicht glauben, daß ich Dich um das Deinige betrüge und dann mein Wort zurücknehme von wegen unsern Kindern!«
    »Nein, das glaub’ ich schon nicht, denn so ‘was bringst Du nicht zu Stande bei mir. Ich geb’ die Steine gar nimmer aus der Hand, bis ich das Geld einstecken kann, und Du sollst blos die Unterhandlung führen. Ich setze zu viel auf diese Karte, als daß ich mir nicht Alles ganz genau und reiflich überlegen sollte.«
    »Ach, so ist das gemeint?« frug der Müller, dem es kaum gelang, seine Enttäuschung nothdürftig zu verbergen. »So heb’ sie auf, aber schau auch zu, daß der Wilhelm Dir die Rechnung nicht verdirbt!«
    »Dafür laß Du mich nur sorgen! Ich bin der Kaiserbauer, und wenn der was will, so ziehen zehn Pferde ihn nicht vom Platz hinweg!«
2.
    Bertha, die hübsche Tochter des »Bonapartenschusters«, saß noch immer mit ihrer Arbeit am Fenster, als sie plötzlich ausrief:
    »Vater, der Kaiser geht über die Straße. Ich glaub’ gar, er kommt zu uns!«
    »Denk’ nur so was nicht, da müßte ja eher der Himmel einfallen.«
    »Aber er kommt doch, und der Steinmüller ist auch dabei!«
    Es war so, wie sie sagte. Die Thüre wurde geöffnet, doch blieben die beiden Männer auf der Schwelle stehen. Kaiser warf einen forschenden Blick hinein und frug dann:
    »Ich hab’ mit Dir zu sprechen. Soll ich hinzutreten, oder kommst Du vielleicht heraus?«
    »Wer mit mir zu reden hat, der kommt herein zu mir; so ist’s hier Sitt’ und Gebrauch. Was ist Euer Begehr?«
    »Sollst’s gleich hören!« Dann fügte er, zu seinem Begleiter gewandt, hinzu: »Tritt näher, Müller, und setz’ Dich; hier muß man sich selber helfen, wie’s scheint!«
    »Wer’s nicht anders begehrt, ja« meinte ruhig der Schuster, welcher sich nicht von seinem Sitze erhoben hatte. »Wer grüßt, bekommt den Stuhl, wer’s unterläßt, bleibt stehen. Nun aber sagt, was Ihr wollt!«
    »Es ist ein Handel, den ich mit Dir machen will: Deine Hütte nämlich paßt mir schon seit lange nicht in die Aussicht; sie stört und ärgert mich, so oft ich bei mir herausschaue, doch ließ ich’s gehen, weil ich bisher grad nicht die rechte Ursach’ hatte, eine Aenderung zu treffen. Jetzt aber wird der Wilhelm heirathen, und da soll das Häuschen weg und an seine Stelle ein Blumengarten kommen für die junge Frau. Was willst haben für die Hütte und für das Grundstück, auf dem sie liegt?«
    Der Gefragte gab nicht gleich Antwort. Es war ein schwer zu beschreibender Ausdruck, welcher sich über seine Züge breitete. Endlich meinte er lächelnd:
    »Du glaubst gar nicht, Kaiserbauer, wie recht und willkommen mir Dein Anliegen ist! Es geht mir grad wie Dir: so oft ich aus dem Fenster sehe, ist mir Dein Hof im Weg; er stört und

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