Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
sie Recht hatten. Er hatte sowohl Pferde als auch Hunde sich paaren sehen, diese Dinge aber erst nach den von Kichern begleiteten Bemerkungen der Jungen mit Menschen in Verbindung gebracht.
»Hast du …« Er zog die Brauen zusammen und gebrauchte denselben Ausdruck wie die großen Jungen, obwohl er wusste, dass er vulgär war. »Hat mein Vater es mit dir getrieben?«
Jueta errötete bis zu den Haarwurzeln.
»Lieber Gott, nein!«, keuchte sie. »Wer hat dir denn diesen Gedanken in den Kopf gesetzt, und wo hast du diese Worte her?« Ihre Stimme wurde energischer. »Komm, iss dein Brot und trink deine Milch.«
»Wo komme ich dann her?«
Jueta krallte eine Hand um ihren Zopf, wie sie es immer tat, wenn sie aufgeregt war.
»Du bist der Sohn des Königs, mehr brauchst du nicht zu wissen. Ich sagte doch, wir sind alle deine Mütter.«
Wieder runzelte er die Stirn, wusste aber, dass er hier nicht weiterkommen würde. Vielleicht konnte er seinen Vater fragen, aber würde er den Mut dazu aufbringen? Sein Bruder John könnte es ihm sagen, doch John erzählte oft aus Spaß Lügen, um Leute zu verletzen oder sie aus der Fassung zu bringen. Man konnte ihm nicht trauen. Und obwohl er tat, was Jueta gesagt hatte, und sich seiner Mahlzeit widmete, verstaute er die Frage in einem Winkel seines Gedächtnisses, als würde er etwas, das er brauchte, auf ein Regal stellen – weggeräumt, aber jederzeit verfügbar. Er erinnerte sich verschwommen an eine andere dunkelhaarige Frau, die nach Jasmin geduftet, ihm vorgesungen und ihn an sich gedrückt hatte, aber immer wenn er versuchte, diese Erinnerung aufleben zu lassen, löste sie sich auf. War diese Frau seine Mutter? Aber wenn ja, wo war sie jetzt? All diese »anderen Mütter« zu haben war schön und gut, aber kein Ersatz für die eine, die er nicht hatte.
Roger betrachtete wohlwollend, wie sein Sohn im Sattel saß. Hugh hielt sich kerzengerade und hatte sein scheckiges Pony so gut unter Kontrolle, dass Roger die Leitzügel gelöst hatte. Er zeigte die natürliche Haltung des geborenen Reiters. Jetzt starrte er über die Themse hinweg zu den Vororten am Southwark-Ufer. Für sein Alter war er ungewöhnlich geschickt. Er konnte schon die Schnallen an seinen Schuhen und die Schnüre seiner Hose zumachen. Roger, der sich nur zu gut daran erinnerte, wie grob und herabsetzend sein eigener Vater mit ihm umgegangen war, war entschlossen, Hugh dieses Schicksal zu ersparen. Er gab sich Mühe, Zeit mit dem Jungen zu verbringen, ihn Dinge zu lehren und ein Band zwischen ihnen zu schaffen, das ebenso stark war wie die Schnur, die Hugh im Mutterleib mit Ida verbunden hatte. Er würde seinen Sohn mit Liebe erziehen, nicht mit der Peitsche.
Das rhythmische Geräusch, mit dem ein Pfahl von einer ein Stück vom Ufer entfernten Barke aus in den Flussgrund gerammt wurde, wehte zu Vater und Sohn herüber. Hughs blaue Augen funkelten vor Neugier.
»Was tun sie da, Papa?«
»Plattformen für die steinernen Brückenpfeiler konstruieren«, erwiderte Roger.
»Warum?«
»Weil die alte Holzbrücke verrottet ist und nicht mehr lange halten wird. Es herrscht zu viel Verkehr, und das Wetter greift sie an. London braucht eine Steinbrücke, die viele Jahre überdauert. Sie treiben Pfähle in das Flussbett und schaffen damit ein Fundament.« Roger und Hugh sahen zu, wie die Männer den Flaschenzug bedienten, den Pfahlstein hochzogen und auf einen Holzpfahl fallen ließen, um ihn in das Flussbett zu rammen. »Der König hat eine Steuer auf Wolle erlassen, also ist Geld für diese Arbeit da.« Roger schnitt eine Grimasse. Neue Steuern waren in der letzten Zeit an der Tagesordnung.
»Wann wird die Brücke denn fertig sein?«
»Oh, noch lange nicht.« Roger schüttelte den Kopf. »Ich schätze, wenn es so weit ist, wirst du schon ein erwachsener Mann mit eigenen Kindern sein. Solche Projekte kosten viel Zeit und Mühe.«
Hugh rümpfte die Nase.
»Aber die alte Brücke könnte doch vorher zusammenbrechen.«
»Vermutlich wird sie repariert, bis man die neue benutzen kann.«
Eine Barke mit weiteren Ulmenpfählen traf ein, gefolgt von einer mit Pechfässern. Vater und Sohn beobachteten die Boote noch eine Weile, dann bedeutete Roger Hugh, den Rückweg anzutreten. In diesem Moment bemerkte er einen Priester, der
vom Kai her auf sie zukam. Er bewegte sich mit der Kraft eines Athleten, statt wie die meisten Geistlichen übertrieben würdevoll dahinzuschreiten. Sein Umhang wehte hinter ihm her. Peter de
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