Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
bäuchlings auf seine Pritsche in der Kammer, die den Pagen und Knappen zugewiesen worden war, und legte den Kopf auf seinen angewinkelten Arm. Jetzt wünschte er, er hätte nicht gefragt, denn er fühlte sich nun noch elender und verwirrter.
»Was hast du denn?«, wollte Hubert de Burgh, einer der älteren Pagen, wissen. »Weinst du etwa?«
»Nein«, widersprach William hitzig und presste die Lippen zusammen. Seine Augen brannten, und seine Kehle war wie zugeschnürt, dennoch schluckte er seine Empfindungen hinunter wie sauren Wein. Er war der Sohn eines Königs, der über ein Reich von den Grenzen Schottlands bis hin zu den Pyrenäen herrschte – über Orte, die er nie gesehen, von denen ihm seine Lehrer aber oft erzählt hatten. Außerdem war sein Vater ein Kreuzritter. Er würde alles daransetzen, ihm nachzueifern und so den Teil in sich verdrängen, der von seiner Mutter stammte.
Als er am nächsten Morgen vor Antritt seiner Reise seine Gebete sprach, wandte er den Blick von der Marienstatue mit dem Christuskind in den Armen ab, die er noch einen Tag zuvor voller Hunger darauf, endlich die Wahrheit zu erfahren, angestarrt hatte.
25
Framlingham,
Juli 1189
Ida betrachtete die Borte, die sie gerade webte, und fluchte, weil ihr ein Fehler unterlaufen und das rotweiße Muster jetzt nicht mehr makellos war. Der Ärger über sich selbst verstärkte ihre Kopfschmerzen, und sie musste den Blick abwenden, weil die Borte immer wieder vor ihren Augen verschwamm. Sie fühlte sich schon den ganzen Morgen lang nicht wohl.
Sie schob den Webrahmen fort, erhob sich von ihrem Arbeitstisch, trat zum Fenster und blickte in den Hof hinunter. Wulfwyn,
eine der Küchenmägde, fütterte die Hofhennen, und wie üblich fuhr der große weiße Ganter dazwischen, machte einen langen Hals und zischte das andere Geflügel drohend an. Aus irgendeinem Grund hatte Hugh diesen Plagegeist ins Herz geschlossen, und sie hatte ihn gestern ausschelten müssen, weil er ihn in die Halle mitgebracht hatte.
Sie rieb sich über die Stirn. In den Wolken hängender Regen machte die Atmosphäre so erdrückend wie eine schwere Wolldecke. Wahrscheinlich würde ein Sturm aufziehen. Obwohl ein kräftiger Regenguss die Luft reinigen würde, wünschte sie, er würde ausbleiben, weil dann die Straßen unangenehm schlammig wurden, was das Reisen erschwerte. Morgen sollte sie die Familie zu Roger bringen, der sich noch immer in Westminster aufhielt.
Ein Wimmern trieb sie zu der Wiege. Der drei Monate alte Wilkin war wach und lächelte, als sie sich über ihn beugte. Eigentlich hieß er William, er war so genannt worden, weil es ein wichtiger traditioneller Name in Rogers Familie war, aber Ida missfiel er, weil er sie schmerzlich an ihren Erstgeborenen erinnerte. Dieser neue Sohn war gleichfalls dunkelhaarig und würde braune Augen bekommen. Jedes Mal, wenn sie ihn ansah, fühlte sie sich eines Teiles ihrer selbst beraubt. Sie nahm ihn auf den Arm, trug ihn zum Fenster und schaute hinaus. Hugh spielte mit Marie Fangen, ihr Gequieke hallte im Hof wider. Marguerite, die nächsten Monat drei wurde, versuchte ihnen hinterherzurennen, aber ihre Beine waren zu kurz, und sie stolperte immer wieder über den Saum ihres Kittels. Endlich ließ sie sich in der Mitte des Hofes auf den Boden fallen und brach in Wutgeheul aus, bis ihr Gesicht sich feuerrot von ihren blonden Locken abhob. Ihre Kinderfrau nahm sie hoch und brachte sie ins Haus zurück.
»Soll ich Euer Hofgewand einpacken, Mylady?«
Ida blickte über ihre Schulter hinweg zu Bertrice, die eine grüne Seidenbrokatrobe in die Höhe hielt. Die Bewegung jagte einen stechenden Schmerz durch ihren Kopf, und ihr Magen hob sich.
»Ja, tu das.« Sie zwang sich, sich aus ihrer Lethargie zu reißen. »Lasse ich es hier, brauche ich es mit Sicherheit für irgendeinen Anlass.« Vielleicht wollte Roger Gäste in ihrem Haus empfangen oder sie nach Westminster mitnehmen.
Sie hatte ihn seit Anfang Mai nicht mehr gesehen. Während der Zeit nach der Geburt war er mit Henry in der Normandie gewesen, zu ihrer Aussegnung kurz nach Hause gekommen, und dann wurde er schon wieder in Westminster gebraucht und hatte es für das Beste gehalten, dass sie noch einen Monat in Framlingham blieb, um wieder zu Kräften zu kommen, bevor sie die Reise nach London antrat. Sie hatte die Zeit mit ihren Burgherrinnenpflichten und Haushaltsangelegenheiten ausgefüllt, dennoch waren ihr die Tage oft öd und leer vorgekommen. Seufzend wandte sich
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