Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Ida vom Fenster ab, presste die Stirn kurz gegen die kühle Wand und schloss die Augen. Sie wollte morgen aufbrechen, sie konnte es sich nicht leisten, krank zu werden!
Als sie unten im Hof Hufgetrommel hörte, blickte sie auf. Edwin, einer ihrer Boten, sprang gerade aus dem Sattel. Sein Pferd triefte vor Schweiß, zitterte und brachte nicht mehr die Energie auf zu scheuen, als der weiße Ganter auf Mann und Tier losging und laut schnatternd sein Territorium verteidigte. Angst stieg in ihr auf. Wenn Edwin sein Pferd so erbarmungslos antrieb, musste er ernste Neuigkeiten haben. Sie bat eine ihrer Zofen, hinunterzugehen und ihn sofort zu ihr zu bringen. Herr Jesus, was, wenn Roger etwas geschehen war?
Edwin trat über die Schwelle, ging zu ihr und kniete mit gesenktem Kopf vor ihr nieder. Der Gestank von Pferde-und
Männerschweiß erfüllte den Raum. Als er seine Kappe abnahm, rollten Schweißperlen über sein Gesicht und tropften in die Binsen auf dem Boden.
Ida wappnete sich für das Schlimmste.
»Was gibt es? Sag es mir.«
»Mylady, der König ist tot«, verkündete Edwin. »Er war schon eine Zeit lang leidend, wurde dann ernsthaft krank und starb vor einer Woche in Winchester. Lord Bigod schickt Euch die Nachricht aus Westminster und bittet Euch, so schnell wie möglich zu ihm zu kommen.«
»Tot?«, wiederholte sie schwach und dann noch einmal nahezu unhörbar.
»Ja, Mylady.« Edwin war von dem anstrengenden Ritt noch außer Atem. »Er wird in Fontevrault begraben.«
Ida starrte ihn benommen an. Eine bleierne Schwere breitete sich in ihrem Inneren aus, und die Welt begann sich rings um sie herum zu drehen.
»Mylady … Madam?« Bertrice’ ängstliche Stimme klang in Idas Ohren wie das Summen einer lästigen Fliege.
»Danke«, sagte sie zu Edwin. »Geh, ruh dich aus und erfrische dich.«
»Soll ich das Pferd wechseln und mit einer Antwort zurückreiten, Mylady?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, ich werde in Kürze selbst mit meinem Mann sprechen.«
Der Bote verneigte sich und verließ die Kammer. Ida fühlte sich innerlich so hohl, als sei ihr das Mark aus den Knochen gesogen worden. Ihr war kaum bewusst, was sie tat, als sie sich auf den Weg zur Kapelle machte, um zu beten. Hugh und Marie schwatzten mit dem Stallburschen, der Edwins Pferd abrieb und trocken führte. Hugh spielte mit den roten und goldenen
Emailleanhängern am Brustband des Wallachs. Der Ganter war weggesperrt worden, stieß aber im Stall immer noch drohende Schreie aus. Ida nahm das alles mit einem eigenartigen distanzierten Gefühl wahr, fast als wären es Szenen aus einem von Henrys Büchern.
Sie betrat die Kapelle, ging zum Altar, kniete nieder und bekreuzigte sich, dann schloss sie die Finger um die Perlen ihres Rosenkranzes und betete für Henrys Seele. Die Fransen des seidenen goldenen Altartuchs wehten leicht hin und her, obwohl sich kein Lüftchen rührte. Ida meinte, die Hitze der Kerzen in den vergoldeten Leuchtern zu spüren. Die Flammen schienen ihre Haut zu verbrennen. Ihre Augen waren trocken und schmerzten. Als ein Strom von Erinnerungen sie überflutete wie geschmolzenes Blei, wollte sie weinen, aber ihr kam keine Träne.
Sie sah sich selbst am Hof, wie sie Henry den Fußschemel zurechtrückte, sein Bein darauf platzierte und auf seine Bequemlichkeit bedacht war. Den Gang zu seiner Kammer entlanghuschte. Die erste, qualvolle Zeit, als sie vor Elend, Furcht und Scham am liebsten gestorben wäre, und dann die sich allmählich entwickelnde Vertrautheit. Sie dachte an die Geschenke, die er ihr gemacht hatte: die Ringe, Stoffe und Pelze. Sie erinnerte sich daran, wie er ihre Unschuld belächelt und sich über die daraus geborene Weisheit amüsiert hatte. Sie dachte daran, wie er sich über die Wiege ihres neugeborenen Sohnes gebeugt, ihm einen Zeigefinger hingehalten und vor Freude und Stolz breit gelächelt hatte. Jetzt war dieses Lächeln ausgelöscht, für immer in einer kalten Grabstätte eingeschlossen. All diese Vitalität und Lebensfreude, fortgeweht wie Rauch im Wind.
Sie presste ihre brennende Stirn auf ihre gefalteten Hände. Was war mit ihrem Sohn? Er war jetzt eine Waise, des Schutzes
beider Elternteile beraubt. Was sollte ohne seinen Vater aus ihm werden? Der neue König würde Richard heißen, Henrys ältester Sohn, von dem sie nur wusste, dass er geschworen hatte, sich auf einen Kreuzzug zu begeben, und daher nicht ständig Hof halten würde.
Ihr Magen hob sich, und sie begriff, dass sie sich gleich
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