Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Gesicht.
»Du machst mir neue Hoffnung.« Ihre Stimme zitterte. »Und du bist sehr großherzig.«
Er schnitt eine Grimasse.
»Nein. Ich bin eigensüchtiger, als du ahnst.« Er wollte nicht über seine Kindheit sprechen, von dem Verlust seiner Mutter und den Kämpfen, damit fertig zu werden. Er hatte die Zusammenhänge erst als erwachsener Mann verstanden und konnte jetzt auch begreifen, warum der zweite Mann seiner Mutter nicht gewollt hatte, dass er in ihre Ehe eindrang und ihm ihre Zuneigung entzog. »Er ist ein Band zwischen uns und dem König«, sagte er stattdessen, weil dies eine praktische Erwägung war und er nicht in ein Meer von Emotionen eintauchen musste. »Und solche Bande müssen verstärkt werden.«
Ihre Miene verdüsterte sich.
»Ja, natürlich. Du hast Recht.«
Unausgesprochen blieb, dass zu Henrys Lebzeiten sie dieses Band gewesen war. Henry hatte ihres Sohnes wegen Interesse an ihrem Wohlergehen gehabt. Aber bei Richard verhielt es sich anders. Er mochte zwar seinen illegitimen Halbbruder anerkennen, würde sich aber kaum um die ehemalige Konkubine seines verstorbenen Vaters kümmern.
Roger nahm Idas Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie.
»Ich sage das nicht nur aus Vernunftgründen. Ich weiß, wie viel er dir bedeutet. Mir kann er nie so am Herzen liegen, denn er ist nicht mein Fleisch und Blut, und der Mann, der ihn gezeugt hat, war manchmal sehr nah daran, mein Feind zu werden, aber jetzt, wo er …« Er brach mit einem Achselzucken ab.
Ida schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn, was ihm verriet, dass jetzt nicht die Zeit für Worte war. Außerdem hätte er im Moment auch nicht gewusst, was er noch hätte sagen sollen, er war mit seiner Weisheit am Ende. Ihre Haut duftete nach Rosenwasser und einer parfümierten Salbe. Als er ihr Ohrläppchen liebkoste, spürte er, wie sie erschauerte.
Wie immer, wenn das Thema Henry zur Sprache kam, fraß die Eifersucht an ihm, und dann brauchte er die Versicherung, dass sie ihm allein gehörte. Er zog sie zum Bett, legte sie darauf nieder und liebte sie voll zärtlicher Leidenschaft. Heute würde er ihr Wonne bereiten, bis sie sich stöhnend unter ihm wand, weil er in ihr Gefühle auslöste, von denen er mit absoluter Sicherheit wusste, dass Henry sie nie in ihr erweckt hatte.
27
Westminster, 1189
November 1189
William Marshal schritt an dem Zeremonienmeister vorbei in das Gemach des Königs. In ein mit goldenen Sternen besticktes Gewand aus dicker roter Wolle gehüllt saß Richard an einem mit Pergamentbögen und Listen übersäten Tisch. Eine prächtige Karaffe aus Bergkristall beschwerte einen Dokumentenstapel, eine Platte mit Brot und Wildbret den anderen. Zwei Musikanten spielten Flöte und Rebec, und Richard summte die Melodie leise mit, während er die vor ihm liegenden Listen studierte. Sein Kanzler und Schatzmeister William Longchamp, der kürzlich zum Bischof von Ely ernannt worden war, erteilte im Hintergrund einigen Schreibern leise Anweisungen.
Richards Miene hellte sich auf, als er den Kopf hob und William erblickte.
»Ah, da seid Ihr ja.« Er deutete auffordernd auf den Stuhl an seiner Seite.
William nahm Platz und unterdrückte eine angewiderte Grimasse, weil das Kissen noch warm von Longchamps Kehrseite war, für ihn schon zu viel erträgliche Nähe zu dem Kanzler des Königs.
Richard nickte zu der Karaffe hinüber. William füllte Richards Becher und den daneben stehenden versilberten Kelch, der zum Glück nicht zuvor von Longchamp benutzt worden war, mit dunkelrotem Wein. Der König spießte ein Stück Fleisch auf die Spitze seines Messers, schob es in den Mund und bedeutete William kauend, sich gleichfalls zu bedienen, wenn er wollte. William brauchte keine zweite Aufforderung, denn sein Magen
knurrte bereits vernehmlich. Er war den ganzen Tag lang beschäftigt gewesen, hatte sich zwischen der Verwaltung seiner eigenen Ländereien und seinen Pflichten gegenüber Richard aufgerieben, der ihn zu einem seiner Co-Justiciare ernannt hatte, die während seiner Abwesenheit das Reich regieren sollten. Der Tag hatte nie genug Stunden, und es war oft schwierig, Zeit zum Essen zu finden.
Richard schluckte den Bissen hinunter, trank einen Schluck Wein und sagte dann: »So, Marshal. Wie denkt Ihr über diese Sache mit dem Earl of Norfolk?«
William hob die Brauen.
»Welcher Earl of Norfolk, Sire?«, fragte er unschuldsvoll. »Ich wüsste nicht, dass es einen gibt.«
Richard schüttelte lächelnd den Kopf.
»Noch
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