Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
sein Gedächtnis einzubrennen. Seit Hodierna ihm gesagt hatte, wer sie war, hatte er sich eine schöne, ätherische Frau wie die Himmelskönigin vorgestellt, die sein Vater tragischerweise nicht hatte heiraten können, weil Eleanor die Scheidung verweigerte. Zwischen ihnen hatte eine echte Liebesbeziehung bestanden, und die Ehe seiner Mutter mit Roger Bigod war nur eine Vernunftehe. Die Kinder, die dieser Verbindung entsprungen waren, waren aus Pflichtgefühl und nicht wie er aus Liebe gezeugt worden und von minderwertigerem Blut. Er hatte gehört, dass die Bigod-Linie von einem gewöhnlichen, verarmten Ritter in den Diensten des Bischofs von Bayeux abstammte, während in seinen Adern königliches Blut floss. Sein Vater war ein König gewesen, sein Bruder saß auf dem Thron von England. Wenn sein Vater sich von Königin Eleanor getrennt und seine Mutter geheiratet hätte, wäre er selbst einer der Thronfolger gewesen.
Alles, was er gewollt hatte, war, einen Blick auf seine Mutter zu werfen und herauszufinden, ob ihr Anblick in ihm irgendwelche Erinnerungen weckte. Aber er war nicht sicher gewesen, welche der in schimmernde Seide gekleideten Frauen es war. Er hatte sich nicht auf Anhieb zu einer von ihnen hingezogen gefühlt. Zwar hätte er nach ihr fragen können, aber das hätte ihn in Verlegenheit gebracht und verletzlich erscheinen lassen. Und dann war er auch noch von seinem Halbbruder und dem Mann seiner Mutter ertappt worden. Dem Mann, den sie hatte heiraten müssen. Er dachte an die harten graublauen Augen und die festen Lippen. Wie konnte sie mit ihm glücklich sein? William sagte sich, dass sein Vater die für ihn beste Entscheidung getroffen hatte. Er hätte nicht in einem heruntergekommenen Herrenhaus irgendwo im Niemandsland zusammen mit
einer Schar rotznasiger Halbgeschwister leben wollen. Roger Bigod sprach Französisch mit einem starken Norfolk-Akzent. Vermutlich ließ er seine Schweine in seiner Halle herumlaufen. Wäre er, William, bei ihm aufgewachsen, wäre er jetzt vermutlich schon ein halber Bauer. Er presste den Kopf gegen die Wand, ballte die Fäuste und redete sich ein, es wesentlich besser getroffen zu haben, dennoch fühlte er sich immer noch wie ein ausgehungerter, herrenloser Straßenköter.
Er kniff die Augen zusammen, bis der Drang zu weinen verflogen war, strich seine Tunika glatt und kehrte zu seinen Pflichten in der Halle zurück. Dort machte er sich mit solchem Eifer an die Arbeit, als wäre das Abräumen der Tische das Wichtigste in seinem Leben, was in gewisser Hinsicht auch zutraf, weil es ihm ein Gefühl von Stabilität gab und einen Fels in der Brandung bildete.
Idas Zofen knicksten, verließen die Kammer und zogen auf dem Weg zu ihren Pritschen die Türvorhänge zu. Roger saß auf dem Bett und schickte sich an, sich auszukleiden. Ida, im Hemd, das Haar gelöst, wusch sich Gesicht und Hände am Wasserkrug und trocknete sich mit einem feinen Leinentuch ab.
»Ich habe deinen Sohn gesehen«, sagte er. »Er hat als Page an der königlichen Tafel serviert, hart gearbeitet und seine Sache sehr gut gemacht.«
Ida erstarrte, war plötzlich auf der Hut.
»Ich habe ihn auch gesehen, in der Kathedrale, aber nur aus der Ferne.« Sie drehte sich langsam um. »Danach nicht mehr.«
»Er war sehr beschäftigt, obwohl ich ihn trotzdem dabei ertappt habe, wie er in die Halle der Frauen gespäht hat.« Er erzählte ihr von seiner Begegnung mit William, und sie hing förmlich an seinen Lippen. In ihren Augen brannten Hoffnung und Furcht.
»Jetzt, wo Henry tot ist, ist es vielleicht an der Zeit, abgerissene Brücken wieder aufzubauen«, meinte er ruhig. »Aber es muss vorsichtig zu Werke gegangen werden, damit nicht noch mehr Schaden angerichtet wird.«
»Er weiß, wer ich bin?«, fragte Ida heiser.
Er schob die Hände zwischen die Knie.
»Meinen Schlussfolgerungen zufolge ja, aber ich glaube, er hat es erst vor kurzem erfahren.« Er seufzte. »Henry wollte ihn am Hof wie einen Prinzen aufwachsen lassen, daran wird sich unter dem neuen König sicher nichts ändern, und das sollte es auch nicht. Der Hof ist das Heim des Jungen, er hat eine Ritterausbildung begonnen, aber dennoch sollten die Blutsbande nicht gänzlich ausgelöscht werden.« Er erhob sich, trat zu ihr und umarmte sie. »Es wird für alle Beteiligten nicht leicht werden, aber warum soll es nicht gelingen? Und dann überspannt eine neue Brücke den Fluss.«
Ida stellte sich auf die Zehenspitzen und berührte sein
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