Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
weit gegangen, als er Geoffrey, den Erzbischof von York, einen weiteren von Henrys illegitimen Söhnen, verhaftet und misshandelt hatte. Von einem großen Teil der Barone unterstützt, hatte John wutentbrannt auf die Nachricht von der entwürdigenden Behandlung seines Halbbruders reagiert und sich zu dessen Rächer aufgeschwungen. Jetzt sollten sich die rivalisierenden Parteien bei der London Bridge treffen und ihren Streit beilegen, und da solche Diskussionen nicht immer nur mit Worten geführt wurden, hatte Roger vorsichtshalber seine Rüstung mitgebracht.
Der Hof wimmelte von Knappen, Rittern, Sergeanten und Soldaten. Hamelin de Warenne, der Earl of Surrey, saß bereits auf seinem Schlachtross. Ein Ritter half dem Bischof von London auf sein weißes Maultier, und William de Braose, Lord of Bramber, stand neben einem Holzklotz und wartete darauf, dass sein Hengst gebracht wurde. Longchamps Pferd, an dem protzigen, mit Goldfäden bestickten Geschirr leicht zu erkennen, war an einem Ring in der Mauer angebunden. Roger blickte sich um und entdeckte seine eigenen Männer bei dem Wassertrog. Sein Pferdeknecht Alard hielt Vavasour bereit. Der Hengst war unruhig, stampfte mit den Hufen und schlug heftig mit dem Schweif. Vermutlich spürte er die angestaute Anspannung, dachte Roger grimmig, als er zu dem Tier hinüberging und die Zügel nahm. So benahm er sich sonst nur in Gegenwart
von Stuten. Vielleicht war sein Verhalten eine Reaktion auf Longchamps Nähe.
De Braose trat zu ihm. Sein Gang war ebenso kampflustig wie sein Charakter.
»So, wie Longchamp uns warten lässt, könnte man denken, er wäre der König höchstpersönlich«, grollte er.
Roger schob einen Fuß in den Steigbügel.
»Bis wir etwas anderes hören, repräsentiert er den König. Und Ihr irrt Euch. Jeder dürfte den Unterschied zwischen dem König und dem Bischof von Ely erkennen.«
De Braose lachte trocken auf.
»Jeder außer dem Bischof von Ely selbst.« Er deutete auf den Ledersack mit Rogers Helm, der an dem Sattel des Packpferdes hing. »Ihr seid auf Schwierigkeiten vorbereitet, Mylord?«
»Es empfiehlt sich immer, darauf vorbereitet zu sein«, erwiderte Roger. »Und oft ist es besser, Gewalt anzudrohen, statt sie auszuüben.«
De Braose musterte ihn nachdenklich.
»Vorausgesetzt, Ihr seid bereit, der Drohung auch Taten folgen zu lassen.«
Roger gab den Blick kühl zurück.
»Daran dürfte niemand zweifeln, aber ich ziehe einen Mann mit Vernunft, der nur in Notfällen zu seinem Schwert greift, einem vor, der es bei jeder Gelegenheit zückt.«
»Weise Worte, Mylord, aber etwas anderes habe ich von Euch auch nicht erwartet«, meinte de Braose spitz. Er war ein im Grenzgebiet ansässiger Baron, der in dem Ruf stand, stets rasch mit der Waffe zur Hand zu sein.
Roger blieb gelassen. Sein eigener Ruf, den er sich bei Fornham und als militärischer Befehlshaber erworben hatte, kam ihm im Umgang mit solchen Männern zustatten. Sie wussten, dass er kämpfen konnte, wenn es sein musste, und vielleicht
fürchteten sie ihn umso mehr, weil er sowohl die Gesetze als auch die Klinge anzuwenden verstand.
»Ah«, bemerkte de Braose mit einem Nicken. »Der Bischof beehrt uns endlich mit seiner Gegenwart.«
Roger drehte sich um, betrachtete den Mann, der gerade den Hof betrat, und unterdrückte ein Erschauern. Longchamps Robe strotzte vor Stickerei, und er war von einem Gefolge von Rittern und Geistlichen umgeben, deren Anzahl und Kleidung seine eigene Bedeutung nur noch unterstrichen. Sein Krummstab war mit Blattgold überzogen, seine Fingerknöchel vor lauter Ringen kaum noch zu erkennen, und seine Schuhe waren mit purpurfarbener Seide bestickt. Sein Anblick erinnerte an eine schöne Muschel, die man bewunderte, bis man die schleimige Kreatur entdeckte, die sie bewohnte.
Longchamp ließ den Blick über die wartenden Männer schweifen. Seine dunklen Augen hefteten sich auf Roger und de Braose, die sich beide tief verneigten.
»Er hat Angst«, raunte de Braose Roger zu. »Sie steht ihm im Gesicht geschrieben. Die Sache mit dem Erzbischof von York wird ihm den Hals brechen.« Tiefe Genugtuung schwang in seiner Stimme mit.
Roger erwiderte nichts darauf. Longchamp würde heute Morgen ein schweres Feld zu beackern haben und war tatsächlich so blass wie ein altes Tischtuch. Entschuldigungen auszusprechen lag nicht in seiner Natur, und seine Arroganz machte es ihm nahezu unmöglich, diplomatisch vorzugehen. Roger führte seinen Hengst zu ihm
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