Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Coutances, Erzbischof von Rouen und jetzt oberster Justiciar Englands. Roger, der die noch etwas schläfrige Versammlung von Geistlichen und Edelmännern gerade von de Braoses heimlichem Besuch in Kenntnis gesetzt hatte, warf ihm einen verstohlenen Blick zu und witterte augenblicklich drohendes Unheil. John sah aus wie eine zufriedene Katze. Roger konnte sich förmlich vorstellen, wie er mit einer Pfote Sahne aus seinen Schnurrhaaren putzte.
»Was hat das alles zu bedeuten, Mylords?«, schnurrte John. »Findet hier eine Verschwörung statt?« Er musterte Roger belustigt.
»Das sollt Ihr mir sagen, Sire.« Walter de Coutances schob die weiten Ärmel seiner Robe hoch. »Wie ich hörte, hat Euch Lord de Braose heute Nacht einen Besuch abgestattet.«
Noch immer lächelnd schritt John auf den Tisch zu, an dem die Männer saßen.
»Ja, in der Tat«, erwiderte er. »Eine vertrauliche, persönliche Angelegenheit, wie Euch der Earl of Norfolk zweifellos bereits berichtet hat.« Er bedachte Roger mit einem triumphierenden Feixen.
»Wo ist de Braose jetzt?«, erkundigte sich Hugh Nonant, der Bischof von Coventry.
»Mit meiner Antwort auf dem Rückweg nach Windsor«, versetzte John obenhin. »Warum hätte ich ihn hierbehalten sollen?«
»Würde es Euch etwas ausmachen, uns den Grund für diesen Besuch zu erläutern?« De Coutances hob auffordernd eine Hand.
»Aber nein.« John lehnte sich gegen den Tisch und fixierte einen nach dem anderen mit einem eindringlichen Blick. »Kanzler Longchamp fragte sich, ob ich vielleicht daran interessiert wäre, mich mit ihm gegen die Co-Justiciare und ihre Anhänger zu verbünden. Er wollte mir Hereford Castle als Sicherheit, fünfhundert Mark und eine mit Gold überzogene Truhe anbieten.«
Betretenes Schweigen machte sich breit. Roger errötete bei der Erwähnung von Hereford leicht und wich bewusst den Blicken von William Marshal und de Coutances aus. Er erkannte immer deutlicher, wie brackig das Wasser war, in dem er sich bewegte, und kam sich jetzt schon besudelt vor.
»Natürlich musste ich ablehnen«, fuhr John lässig fort. »Ich mag ehrgeizig sein, aber ein Narr bin ich nicht. Zeigt mir einen Mann, der sich freiwillig mit dem Bischof von Ely zusammentut – außer meinem abwesenden Bruder, wie jeder weiß. Es ist eine Schande, dass der Kanzler versucht, auf diese Weise den Lauf der Justiz zu untergraben.«
Roger hob eine Braue, wohl wissend, dass John dies ganz und gar nicht für eine Schande hielt. Er war nur klug genug, um zu wissen, dass dieses spezielle Eisen so heiß war, als käme es direkt aus dem Schmiedefeuer. Indem er moralische Entrüstung heuchelte, hatte er sich einen Vorteil gegenüber seinem Rivalen verschafft. Das Angebot bewies zugleich auch, dass Longchamp nicht mehr weiterwusste.
»Das ist es allerdings, Mylord«, erwiderte de Coutances glatt, »und es war weise von Euch, nicht auf die Bestechungsversuche des Kanzlers einzugehen. Ich versichere Euch, dass wir die Angelegenheit bei dem morgigen Treffen klären werden.«
John neigte den Kopf.
»Daran hege ich keinen Zweifel… Ihr vergesst natürlich nicht, dass ich jetzt schon mit meinen Truppen die Hälfte des Weges nach Windsor zurückgelegt haben könnte?«
De Coutances schenkte ihm ein freundliches Lächeln.
»Aber Ihr sagtet ja selbst, dass Ihr kein Narr seid, Mylord.«
Am nächsten Morgen machte sich die Reitergruppe von Reading aus auf den Weg zu dem vereinbarten Treffpunkt in der Nähe von Windsor, während ihr Gepäcktross nach Staines zurückkehrte, wo sie die Nacht verbringen wollten.
John lenkte sein Pferd an das von Roger heran.
»Mylord Bigod, ich habe mit Euch noch gar nicht unter vier Augen über Longchamps Bestechungsangebot gesprochen.«
Roger hatte sich den Hut tief in die Stirn gezogen, damit der Herbstwind ihn nicht fortwehen konnte. Jetzt war er froh, weil er dadurch vor Johns Blick geschützt war.
»Warum solltet Ihr mit mir allein darüber sprechen wollen, Sire? Der Wille der Justiciare ist der Wille aller.«
John zeigte seine weißen Zähne.
»Ich weiß nicht, wie Ihr das seht, aber ich fühle mich nie gekränkt, wenn jemand mit einem Angebot an mich herantritt, auch wenn ich bedauerlicherweise nicht immer darauf eingehen kann. Der Kanzler muss verzweifelt sein, meint Ihr nicht auch?«
»Er ist einigen Trugschlüssen erlegen«, versetzte Roger. »Und er hat gegen das Gesetz verstoßen.« Er starrte unverwandt
zwischen den aufgestellen Ohren seines Pferdes hindurch nach
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