Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
vorne. »Aber ja, wenn er einem Mann, den er unter seine Knute zwingen wollte, Geld anbietet, muss ihm wirklich das Wasser bis zum Hals stehen.«
Johns Lächeln wurde breiter.
»Es heißt, jeder Mann hätte seinen Preis, Mylord. Ich frage mich, wie hoch Eurer ist.«
Roger hörte den spöttischen Unterton aus Johns Stimme heraus, aber darunter verbarg sich Spekulation und aufrichtige, skrupellose Neugier.
»Sire, ich vermute, der Versuch, das herauszufinden, würde sowohl Euch als auch den Kanzler an den Bettelstab bringen.« Er vermied es, an Hereford zu denken.
John kicherte trocken.
»Tatsächlich? Nun, vielleicht hat der Preis, den Ihr meinem Bruder gezahlt habt, Euch bereits arm gemacht – und wird Euch vielleicht letztendlich das Rückgrat brechen.«
»Dann gehen wir alle in Sack und Asche«, erwiderte Roger. Er zügelte seinen Hengst, als ein Kundschafter auf einem schwitzenden Pferd auf sie zugejagt kam.
»Ah«, schnurrte John. »Neuigkeiten von unserem erlauchten Kanzler, schätze ich. Seine Eingeweide scheinen ihn angesichts der Vorstellung, denen gegenübertreten zu müssen, denen er Unrecht zugefügt hat, erneut im Stich zu lassen.«
Der Kundschafter verneigte sich und verkündete, dass Kanzler Longchamp zwar tatsächlich zu dem Treffen aufgebrochen war, aber:
»Dann machte er plötzlich kehrt, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her, und jetzt reitet er in einem Tempo, das sein Pferd nicht lange durchhalten kann, dieselbe Straße entlang, die unser Tross nimmt.«
Die Männer starrten sich verwirrt an. Schon wurde getuschelt,
dass Longchamp jetzt wohl endgültig den Verstand verloren hatte.
»Warum verfolgt er unsere Gepäckkarren?«, fragte John ungläubig. »Ich weiß, wie habgierig er ist, aber er kann doch unmöglich die Absicht haben, sich unserer Töpfe und Pfannen und Bettdecken zu bemächtigen?«
»Vielleicht hat er den Tross mit uns verwechselt und glaubt, wir reiten nach London, um die Stadt unter unsere Kontrolle zu bringen«, meinte Roger, weil ihm das die einzige vernünftige Erklärung für ein so irrwitziges Verhalten zu sein schien.
»Was machen wir jetzt?«, knurrte Reginald, der Bischof von Bath. »Uns wieder nach Reading zurückziehen? Bei diesem ganzen Hin und Her werde ich ja bald seekrank!«
Hugh Nonant, der Bischof von Coventry, lächelte hämisch.
»Bei allem Respekt, Mylord, ich sehe keinen Sinn darin, nach Reading zurückzukehren. Ich denke, wir sollten dem Beispiel des Kanzlers folgen und nach London reiten und uns mit Winterkleidung versorgen.« Seine Bemerkung entlockte denen, die in Hörweite waren, ein schnaubendes Lachen. »Und dabei holen wir vielleicht den Kanzler ein und erzwingen das Gespräch, das er mit aller Gewalt vermeiden will.«
»Er hält uns alle zum Narren«, stellte John mit einem wohldosierten Maß an Betrübnis fest. »Wir stehen hier herum, während er die Londoner überredet, die Stadttore vor uns zu verschließen.«
»Habt Ihr schon einmal versucht, einen Londoner zu irgendetwas zu überreden?«, fragte Roger. »Eher legt man einem wilden Eber einen Sattel auf. Die Londoner werden das tun, von dem sie denken, dass es das Beste für sie ist.«
»Dann sollten wir dafür sorgen, dass das, was sie für das Beste halten, auch das Beste für uns ist«, erwiderte John mit einem boshaften Grinsen und lenkte sein Pferd in Richtung der Stadt.
29
Friday Street, London,
Oktober 1191
Ida sah zu, wie Hugh und ein paar seiner Spielgefährten mit einer aufgeblasenen Schweinsblase Ball spielten. Ihre aufgeregten Rufe hallten durch die Luft. Mit seinen fast neun Jahren war Hugh geschmeidig und drahtig, hatte einen blonden Lockenschopf und tiefblaue Augen. Seine Züge waren noch immer kindlich weich, aber er wuchs mit einer Geschwindigkeit heran, die sie erschreckte. Sie wusste, dass sie ihn allmählich loslassen musste, und war sehr stolz auf ihn, wenn sie ihn laufen, fangen und werfen sah, aber trotzdem wurde ihr das Herz schwer, denn jeder hauchdünne Faden, der durchtrennt wurde, brachte sie dem Moment näher, wo die Schnur zwischen ihnen gänzlich zerriss.
Roger war mit Regierungsangelegenheiten beschäftigt, und obwohl sie unter demselben Dach lebten, bekam sie ihn kaum zu Gesicht. In der Stadt herrschte Unruhe, seit der Kanzler in fliegendem Galopp, die Justiciare hart auf den Fersen, eingetroffen war und sich im Tower verschanzt hatte. Manche Bürger wollten Longchamps Herrschaft aufrechterhalten, aber andere zogen es vor, John zu
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