Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
ihren Geschichten und Liedern zu lauschen. Manchmal verschwand Marie mit ihm, und Ida musste einen Diener losschicken, der die beiden suchte, wenn es spät wurde und sie immer noch nicht zurück waren.
Ein Strom von Rittern, Knappen, Geistlichen, Dienern und beladenen Packponys ergoss sich in den Hof. Idas Blick heftete sich auf Roger auf seinem kastanienbraunen Hengst. Ihr Herz quoll vor Freude förmlich über. Es war so lange her, seit er zuletzt zu Hause gewesen war. Zwischen der Verwaltung von Hereford, dem Abwickeln von Staatsgeschäften und jetzt dem Feldzug gegen den rebellischen jüngeren Bruder des Königs
und der Organisation der Befestigung der Küste hatte sie ihn seit letztem Herbst kaum zu Gesicht bekommen.
Roger stieg ab. Ida begrüßte ihn mit einem formellen Knicks, während die Jungen sich verbeugten und ihre Töchter kichernd und Blicke wechselnd ihrem Beispiel folgten. Roger zog Ida in die Höhe und küsste sie mit gleicher Formalität auf beide Wangen.
»Du siehst gut aus«, stellte er fest.
»Mir geht es auch gut und jetzt, wo ich dich sehe, sogar noch besser.« Ihre Worte kamen von Herzen.
Das gezwungene Lächeln, das sie zur Antwort erhielt, war nicht die Begrüßung, die Ida sich ersehnt hatte. Ihr Gesicht umwölkte sich.
Roger zauste Hughs helles Haar.
»Ich könnte schwören, dass du schon wieder gewachsen bist«, sagte er mit übertriebener Herzlichkeit.
»Ich bin auch gewachsen«, erklärte Marie.
»Ich auch!« Marguerite wollte nicht übergangen werden.
»Dann werdet ihr alle Riesen.« Roger blickte zur Brustwehr empor. »Es geht voran«, meinte er mit einem zufriedenen Nicken. »Mitte des Sommers dürfte der Turm fertig sein.«
»Dann bist du im Sommer also hier?« Ida hörte, wie nörglerisch ihre Stimme klang, und ärgerte sich darüber.
Er hob die Schultern.
»Ich hoffe es, aber es hängt alles von der Entwicklung der Ereignisse ab.« Er betrat die Halle und stieg die Stufen zur Schlafkammer hoch. Dann blieb er stehen und starrte die dampfende Badewanne, den schönen Wandschmuck und den bereitgestellten Imbiss an und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
»Stimmt etwas nicht?«, erkundigte sich Ida besorgt.
Er schüttelte den Kopf.
»Wir haben eine anstrengende Zeit hinter uns, und der Luxus häuslicher Bequemlichkeit ist fast zu viel für mich.«
Idas Hang, ihn zu umsorgen, gewann augenblicklich die Oberhand über ihre Enttäuschung.
»Komm, nimm ein Bad und iss etwas«, drängte sie. »Dann fühlst du dich besser.« Sie öffnete seine Gürtelschnalle. Einen Moment lang standen sie dicht voreinander, was bewirkte, dass ihr Atem schneller ging und in ihrer Lendengegend ein leichtes Prickeln einsetzte. Sechs Monate waren eine lange Zeit gewesen.
Sie fuhr fort, ihren Mann zu entkleiden, dabei untersuchte sie seinen Körper auf Verletzungen und fand zu ihrer Erleichterung keine. Seine Hände und Handgelenke waren sauber, sein Gesicht ebenfalls, aber ansonsten war er mit dem Schmutz langer Tage im Sattel bedeckt. Er stieg in die Wanne und stieß einen tiefen Seufzer aus. Ida schob ihm ein Kissen in den Nacken und stellte einen Stuhl neben die Wanne, der als Tisch für einen Becher Wein und eine Hühnerpastete diente. In früheren Jahren hätten sie gemeinsam in der Wanne gelegen und sich die kleine Mahlzeit geteilt, aber mit all den Dienern und Kindern im Raum war eine solche Intimität nicht möglich, außerdem hatten jetzt andere Dinge Vorrang. Trotzdem nutzte Ida die Gelegenheit, die Rolle einer Badezofe zu übernehmen und sich von neuem mit seinem Körper vertraut zu machen. Während sie ihn behutsam einseifte, spürte sie, wie er sich zu entspannen begann.
»Ist jetzt alles vorüber?«, fragte sie.
Roger verzog das Gesicht.
»Ich weiß es nicht. Es wurde ein Waffenstillstand vereinbart, der bis Allerheiligen dauern soll und John sehr gelegen kommen dürfte, weil er im Begriff steht, den Kampf zu verlieren. Seine Flotte ist nicht losgesegelt, und die einzigen Söldner, die
er anheuern konnte, sind besserer Abschaum aus Wales. Da wir seine Botschaften rechtzeitig abgefangen haben, konnten wir seine Invasionspläne im Keim ersticken. Er beharrt aber nach wie vor lautstark darauf, dass Richard nicht aus Deutschland zurückkehren wird und man ihn zum König krönen sollte.«
Ida tauchte den Lappen ins Wasser und rieb mehr Seife darauf. Roger biss in die Pastete. Krümel fielen in die Wanne und trieben zwischen den Kräutern und Rosenblättern umher. »Zum
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