Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
stehen und beobachtete, wie die Flammen das hölzerne Außenwerk und das große Tor verzehrten, das sie am Morgen erobert hatten. Der Kampf war mit erbitterter Härte fortgeführt worden, aber als sie das Außenwerk erreicht hatten, hatte der Einbruch der Nacht beiden Seiten Einhalt geboten. Richard hatte angeordnet, Außenwerk
und Tor in Brand zu stecken, damit er keine Männer zu seiner Verteidigung abstellen musste und eine Sorge weniger hatte.
»Halte die Augen offen, Thomas«, sagte Roger halblaut, nicht weil der Soldat eine solche Ermahnung brauchte, sondern zum Zeichen dafür, dass Rogers eigene Wachsamkeit keinen Moment nachließ und ihm nichts entging. »Du stammst aus Tasburgh und stehst im Rang eines Sergeanten, nicht wahr?« Er achtete stets darauf, über seine Soldaten informiert zu sein und sie dies wissen zu lassen. Männer, die sich von der Aufmerksamkeit ihrer Kommandanten geschmeichelt fühlten – und die gut bezahlt wurden –, erwiesen sich für gewöhnlich als zwei Mal zuverlässiger als solche, denen man keinerlei Beachtung schenkte.
»Sir.« Die Augen des Mannes leuchteten auf. Er scharrte mit den Füßen und fügte mit einer Spur Ehrfurcht hinzu:
»Ich … ich habe Euch am Tor kämpfen sehen… zusammen mit Lord Marshal.«
Rogers Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
»Er ist größer als ich und hat demzufolge eine größere Reichweite, wofür ich heute außerordentlich dankbar war. Es war ein harter Kampf, und jeder Mann hat sein Bestes gegeben.«
»Was wird morgen geschehen?«
»Das wird im Rahmen einer Beratung entschieden. Der Erzbischof von Canterbury und der Bischof von Durham werden erwartet, sie bringen Belagerungsgeräte mit.« Er klopfte dem Mann auf die Schulter und ging weiter. Eine Frau kam mit verführerisch wiegenden Hüften auf ihn zu. Roger beschleunigte seine Schritte, bevor sie ihn erreichen und ihm einen unsittlichen Antrag machen konnte. Huren wie sie waren im Kielwasser einer jeden Armee zu finden.
In einem der Häuser neben dem des Königs saßen ein paar Ritter an einem Tisch und würfelten. Roger entdeckte den jungen
Longespee unter ihnen. Der Junge hatte zu viel getrunken und stand im Begriff, zu verlieren. Gegenüber einer Dirne prahlte er lautstark damit, dass er der Bruder des Königs sei, doch sie weigerte sich, ihm Glauben zu schenken.
»Du bist zu jung«, lachte sie, die Hände in die Hüften stemmend. »Ein Bürschchen wie du und der Bruder des Königs – wem willst du denn das weismachen? Du siehst ihm überhaupt nicht ähnlich.«
Longespee lief rot an.
»Ich bin der Bruder des Königs!«, wiederholte er, dann deutete er in die Runde. »Frag diese Männer hier, sie werden es bestätigen.«
»Ja«, nuschelte einer von ihnen. »Das stimmt, ich bürge dafür. Er ist einer der Bastarde des alten Königs, den er einer Hofdirne angehängt hat.«
Longespee ging wutentbrannt auf den Mann los, doch Roger kam ihm zuvor, packte den Ritter an seiner Tunika und stieß ihn zur Tür. Das geschah so schnell, dass dem Mann keine Zeit blieb, sich zur Wehr zu setzen.
»Lord Longespees Mutter ist eine ehrbare, tugendhafte Frau, und du tätest gut daran, das nie zu vergessen«, knurrte er. »Wenn wir dich nicht für den morgigen Kampf brauchen würden, würde ich dir für diese Bemerkung bei lebendigem Leib die Haut abziehen.« Er schleuderte den Mann auf die Straße hinaus und bedeutete zwei Wachposten, ihn in Gewahrsam zu nehmen.
Der Ritter stützte sich auf Hände und Knie und erbrach sich heftig. Roger war ernsthaft versucht, ihn auspeitschen und in den Stock legen zu lassen, entschied sich aber dagegen, weil eine so drakonische Strafmaßnahme die Sache nur unnötig aufbauschen würde und sie tatsächlich jeden kampffähigen Mann brauchten. Er blickte sich um und funkelte Longespee an.
»Wenn du schon unbedingt prahlen musst, dann tu es nicht, wenn du getrunken hast und nicht gegenüber Betrunkenen.« Er nahm den Jungen am Arm. »Komm. Du kannst mich als mein Knappe zur Ratsversammlung des Königs begleiten. Ich nehme an, du bist noch nüchtern genug, um Wein einzuschenken?«
»Ja, Sir.« Der Junge schob das Kinn vor. »Danke …« Er machte eine vage Geste. Ein Rülpsen beeinträchtigte den würdevollen Eindruck, den er hatte erwecken wollen, jedoch ein wenig.
»Ich habe es nicht für dich getan«, erwiderte Roger kurz angebunden. »Sondern für deine Mutter.«
Richard musterte seine versammelten Befehlshaber.
»Ich rechne morgen mit dem Erzbischof
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