Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Anketil, dann sah er Will an, in dessen fleischigem Gesicht sich Verwunderung und Schrecken widerspiegelten. »Es sei denn, du willst auch gehen?«
Will schüttelte den Kopf.
»Nein. Huon wird zwar erwarten, dass ich ihm folge, aber was hätte das für einen Sinn? Bislang ist außer Beleidigungen noch kein vernünftiges Wort gesprochen worden, und ich will nicht umsonst hierhergekommen sein.«
Der Geruch des Weins stieg Roger in die Nase, metallisch, fast wie Blut. Er klebte an seinen Kleidern, seiner Haut, in seinem Haar. Als Anketil behutsam die Tür schloss, nahm er wieder Platz.
»Die Beleidigungen gingen nicht von mir aus.«
Will musterte ihn gleichmütig.
»Mein Bruder betrachtet dein Angebot mit Sicherheit als Beleidigung.«
»Er wird mit keinem Angebot zufrieden sein«, erwiderte Roger achselzuckend. Er wunderte sich über seinen jüngeren Halbbruder. Zehn Jahre und eine tiefe Kluft, entstanden durch böses Blut und Familienzwistigkeiten, trennten sie. Roger hatte Will nur als Huons Schatten gekannt. Vermutlich übersahen die meisten Menschen einen farblosen Stoffballen ganz hinten am Stand eines Händlers, ohne zu bedenken, dass farblos nicht zwingend gleichbedeutend mit nutzlos war. »Ich kann ihm nicht mehr geben«, sagte er. »Huon hat keine Söhne, ich aber fünf, und ich muss überdies drei Töchtern eine Mitgift geben. So, wie die Dinge im Moment stehen, sind seine Drohungen nur heiße Luft. Ich will ihm nicht die Mittel in die Hand geben, mehr daraus zu machen.«
Will zupfte an einem losen Faden an seinem Ärmel.
»Zwischen uns herrscht keine Liebe und zwischen dir und unserer Mutter auch nicht, aber wenn du etwas mehr anbieten könntest, käme es vielleicht doch zu einer Einigung.«
»Woran denkst du?«
»Mein Bruder möchte in Bungay einen Jahrmarkt abhalten und als Einkommensquelle Wegezölle und Standgebühren erheben.
Du könntest deinen Einfluss nutzen, um ihm dieses Recht zu einem vernünftigen Preis zu verschaffen, und dafür sorgen, dass der König ihm ab und an eine kleine Gunst erweist.«
Roger empfand plötzlich unerwarteten Respekt für seinen unscheinbaren, dicklichen Bruder.
»Und was hast du davon?«
Will erhob sich und strich seine Tunika glatt.
»Mein Bruder hat keine Frau. Er hatte in der Vergangenheit Mätressen, aber keine hat ihm ein Kind geboren. Ich bin sein Erbe, und ich habe eine Frau und einen Sohn. Eines Tages in ferner Zukunft werden das Land und die Einkünfte aus dem Jahrmarkt meinem Jungen gehören. Ich bin weder so stolz und verbittert noch so ehrgeizig wie Huon. Was sollte ich mit einer halben Grafschaft anfangen?« Er lächelte schief. »Oder eine halbe Grafschaft mit mir?«
Roger stellte fest, dass er das Lächeln unwillkürlich erwiderte. Es war eine eigenartige Erfahrung, Verständnis für jemanden aufzubringen, den er den größten Teil seines Lebens als Feind betrachtet hatte, und sich mit ihm über dasselbe zu amüsieren.
»Ja«, nickte er. »Ich denke, diese Bitte kann ich dir erfüllen.«
»Denkst du das, oder bist du bereit, dich dazu zu verpflichten?«
Rogers Lächeln vertiefte sich, während er zugleich noch größeren Respekt vor ihm empfand.
»Dazu bin ich bereit«, erwiderte er. »Das versichere ich dir in Gegenwart von deinen und meinen Zeugen.«
»Und du wirst meinen Sohn in dein Gefolge aufnehmen, wenn er alt genug ist?« Will vollführte eine verlegene Geste. »Wenn es mir schon an Ehrgeiz mangelt und ich nichts für mich verlange, dann möchte ich wenigstens dafür sorgen, dass meinem Sohn alle Möglichkeiten offenstehen.«
Roger nickte erneut.
»Ich werde ihn zu einem meiner Ritter machen.«
Nachdem sie ihre Vereinbarungen schriftlich festgehalten hatten, verließen Roger und Will gemeinsam das Gästehaus. Vogelgezwitscher erfüllte die Luft, und die Sonne schien fast schon warm. Seite an Seite betraten sie die Kapelle, schritten durch das Kirchenschiff und blieben im Altarraum vor dem steinernen Sarg ihres Vaters stehen.
Roger verzog das Gesicht, als er die eingemeißelten Blumenmotive und das Kreuz in der Mitte der Steinplatte betrachtete.
»Mein Vater und ich werden einst in Knochen und Staub so vereint sein, wie wir es in Fleisch und Blut nie waren«, bemerkte er nachdenklich.
Will wirkte gleichfalls gedankenvoll.
»Es ist schon seltsam, nicht wahr? Huon und ich haben unser ganzes Leben mit ihm verbracht, aber die letzte Ruhestätte werden wir nicht mit ihm teilen.«
»Ich denke, es ist unerheblich, wo wir vor dem
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