Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
musterte seinen Halbbruder. Obwohl sie sich versöhnt hatten, hatte er nicht vor, ihm seine Meinung in dieser Angelegenheit anzuvertrauen, weil sich das möglicherweise schädlich für ihn auswirken konnte. Und außerdem musste er in der Zeit bis zu der Versammlung in Northampton noch eingehend nachdenken.
»Warten wir ab, was William Marshal zu sagen hat. Fest steht, dass es zu Unruhen kommen wird. Als Richard den Thron bestiegen hat, hat er jede nur erdenkliche Möglichkeit genutzt, um an Geld zu kommen. Die Männer sind scharenweise zu ihm geströmt und haben ihre Ämter und Landgüter zurückgekauft.« Er machte Will mit einem stummen Blick deutlich, dass auch er für die Grafschaft Norfolk hatte zahlen müssen. »Seit der König aus dem Heiligen Land zurückgekehrt ist, hat es viel Unfrieden gegeben, aber nach Nottingham hätte nur ein Irrsinniger gewagt, in England gegen Richard zu rebellieren. Sein Tod ändert alles. Der neue König, wer immer es auch sein wird, ist diesmal ein Bittsteller. Er wird für alles, was er haben will, Bestechungsgelder anbieten müssen, nicht andersherum, und diejenigen, die einen Groll gegen ihn hegen, werden sich keine große Mühe geben, ihn zu unterdrücken. Wir gehen schwierigen Zeiten entgegen.«
Will musterte ihn scharf.
»Worüber wir gesprochen haben, ich hoffe, du stehst zu deinem Wort.«
Roger schluckte seinen aufkeimenden Ärger hinunter.
»Ich habe zwar keinen Schwur geleistet, aber ich halte meine Versprechen. Mein Wort gilt, doch ich erwarte, dass Huon im Gegenzug alle Ansprüche aufgibt.« Er reichte dem Stallburschen die Zügel. »Ich muss den Prior verständigen. Für König Richards Seele sollen Kerzen angezündet und Messen gelesen werden.« Er presste die Lippen zusammen. »Die Welt steht Kopf.«
Will stieg auf sein Pferd.
»Ich versuche besser, Huon einzuholen.« Er nickte Roger zu und preschte davon.
Roger holte tief Atem. Der Inhalt der Botschaft trieb bisher nur auf der Oberfläche seines Geistes, der sich weigerte, sie tiefer einsickern zu lassen. Er konnte noch immer die Sonne auf seiner Haut spüren und die Vögel singen hören. Nichts in seiner Umgebung hatte sich verändert, und doch war plötzlich alles anders, weil jenseits des Meeres ein König gestorben und über seinen Nachfolger noch nicht entschieden worden war.
39
Northampton Castle,
April 1199
Roger stand auf der Mauer der Burg von Northampton. Es war ein lauer Frühlingsabend, die Dunkelheit war bereits hereingebrochen, aber die am Himmel glitzernden Sterne und der Mond spendeten ein schwaches Licht. Die friedliche Atmosphäre übte eine beruhigende Wirkung auf ihn aus. Er genoss die Einsamkeit und die Ruhe, in der er seinen Gedanken nachhängen konnte, bevor er sich in seine Kammer zurückzog.
Aber er blieb nicht lange allein. Ein Wachposten stieß seinen Speerschaft auf den Boden, ein paar Worte wurden gewechselt, dann entfernte sich der Soldat und bezog anderswo auf der Brustwehr Posten. Der Neuankömmling trat zu Roger und legte die Hände in die Lücke zwischen den Zinnen. Der Pelzkragen seines Umhangs schimmerte auf seinen breiten Schultern, seine Haltung war entspannt, zeugte jedoch von ruhiger Kraft.
»Mylord«, begrüßte Roger William Marshal, der sich umdrehte.
»Ich wollte noch ein paar Minuten im Freien verbringen«, meinte er. »Nach dem ganzen Rauch in der Halle brauchte ich frische Luft. Der Kamin muss dringend überholt werden.«
»Ich bin aus demselben Grund hier«, erwiderte Roger. »Heute hat in mehr als einer Hinsicht viel Rauch in der Luft gelegen. Aber wenn Ihr lieber allein sein wollt …«
William winkte ab.
»Nein, bleibt nur. Es ist immer gut, wenn man mit jemandem offen sprechen kann, mit jemandem, der einen scharfen
Verstand besitzt und bei dem man nicht befürchten muss, dass er sein eigenes Süppchen kocht.«
Roger lehnte sich neben ihm gegen die Zinnen.
»Jeder Mann hat Wünsche und Ziele, und ich kann niemandem einen Vorwurf daraus machen. Arthur ist der Stiefsohn des Earl of Chester, daher hat Chester ein persönliches Interesse an der Nachfolgerfrage. Der Earl of Derby möchte bestimmte Ländereien zurückhaben und wird seine Unterstützung teuer verkaufen. Viele werden von John erwarten, dass er an ihnen begangenes Unrecht wiedergutmacht, und alle werden eine Gunst von ihm verlangen. Ich habe William Longchamp nie gemocht, aber er hatte Recht, als er sagte, jeder hätte seinen Preis. Ihr könnt es Euch nicht leisten, Arthur zu
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