Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
verwundert.
Goscelin nickte.
»Damit musste man vermutlich rechnen. Es wird meiner Familie zum Vorteil gereichen, aber ein Schock war es doch. Als ich Ida zuletzt gesehen habe, war sie noch ein Kind, und jetzt…« Er zuckte die Achseln. »Aber was geschehen ist, ist geschehen, und Henry sorgt wenigstens für seine Bastarde.«
Roger erwiderte nichts darauf, weil er die Neuigkeit erst verarbeiten musste. Ein Kind stellte den sichtbaren, nicht zu leugnenden Beweis für die Verbindung zwischen Henry und Ida dar. Aber er nahm sich zusammen und verdrängte den Gedanken energisch. Wie Goscelin gesagt hatte, was geschehen war, war geschehen. Er wünschte Goscelin eine gute Nacht, kehrte in die Halle zurück und dachte auf dem Weg dorthin, dass Ida ein besseres Schicksal verdient hatte.
11
Woodstock,
Januar 1180
Ida unterdrückte einen Schrei, als die nächste Wehe sie überwältigte. Sie hatte noch nie so furchtbare Schmerzen ausgestanden. In der Bibel stand, dass es Evas Strafe war, Kinder unter Qualen zur Welt zu bringen, aber dieses Wissen spendete ihr keinen Trost, als sie sich krümmte und die heilige Margaret um Hilfe anflehte.
»Es ist schon fast da, Herzchen«, gurrte Dame Elena, die oberste Hebamme. »Ihr seid sehr tapfer gewesen. Nur noch eine kleine Weile, nur noch ein paar Mal pressen. Es wird noch hell sein, wenn das Baby zur Welt kommt, sodass wir es uns ansehen können.«
Ida presste, rang keuchend nach Atem und sank in die Polster zurück, als die Wehe abebbte. Ihr Haar war schweißnass, ihre Angst wuchs mit jedem Moment, und sie begann allmählich zu glauben, dass sie diese Tortur nicht länger würde ertragen können. Ihr schien es, als würden die Frauen schon entschieden zu lange davon sprechen, dass sie nur noch ein paar Mal pressen sollte.
Sie starrte durch die offenen Fensterläden zu dem schneeverhangenen Himmel empor und wünschte sich hundert Meilen weit fort, in eine andere Zeit, wo sie mit ihrer Mutter in der Frühlingssonne saß; ein unschuldiges Kind, das über Belanglosigkeiten plauderte, während es aus Seidenbändern einen Gürtel flocht. Sie wünschte, sie wäre nie an den Hof gekommen. Wie aufgeregt sie damals gewesen war. Sie hatte alles als ein großes Abenteuer betrachtet, und jetzt kam sie sich vor wie
ein Tier, das zum Schlachter geführt wird. Die nächste Wehe setzte ein. Die Gehilfinnen der Hebamme hielten ihre Hände, während sie die Zähne zusammenbiss. Dame Elena machte sich zwischen ihren gespreizten Schenkeln zu schaffen und murmelte ein paar rasche Anweisungen.
»Ah, da ist ja schon der Kopf. Presst jetzt nicht so fest, Mylady. Ja, so ist es gut – ganz vorsichtig.« Ida schloss die Augen und umklammerte den Adlerstein in ihrer rechten Hand so fest, bis sich ihre Finger verkrampften. Der eiförmige Stein sollte über die Macht verfügen, Geburtsschmerzen zu lindern und dem Kind den Eintritt in die Welt zu erleichtern. Wenn das zutraf, wollte Ida lieber nicht darüber nachdenken, wie eine Geburt ohne ihn verlaufen mochte.
»Da sind die Schultern… die Arme… wen haben wir denn da? Oh, ein Sohn, Mistress, ein schöner Junge! Seht ihn Euch an!« Die Stimme der Hebamme überschlug sich fast vor Freude, als sie ein rosig-blaues, mit Blut und Schleim bedecktes Wesen in die Höhe hielt.
Ida starrte das Kind benommen an. Sie konnte nicht glauben, dass ihr Körper es hervorgebracht hatte, dass es lebte und atmete – ihr Sohn. Sie war zu verwirrt und erschöpft, um von Mutterliebe überwältigt zu werden, sie verspürte lediglich Erleichterung darüber, dass die Schmerzen nachließen und das Ende ihrer Qualen bevorstand. Dame Elena durchtrennte die Schnur mit einem kleinen, scharfen Messer, trug das Kind zu einem flachen Becken, legte es hinein, wusch es behutsam und sprach dabei leise auf es ein. Als Ida seinem Schnaufen und Schreien lauschte, spürte sie eine Resonanz in ihrem Inneren, war aber zu überwältigt und zu müde, um darauf zu reagieren. Die Hebamme tauchte den Zeigefinger in einen Topf mit Honig und rieb den Gaumen des Babys damit ein, dann fügte sie ein wenig Salz hinzu, woraufhin der Kleine zu weinen begann.
»Ruhig, mein Junge, ganz ruhig«, flüsterte sie. »Von diesem Tag an wird es für dich nur noch die süßen Dinge des Lebens geben.« Sie trocknete ihn mit einem großen Leinentuch ab und hüllte ihn in eine weiche Decke. Dann brachte sie ihn zu Ida und legte ihn ihr in die Arme. »Euer Sohn, Mistress«, sagte sie mit einem warmen Lächeln.
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