Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
verschwunden. Das Baby hatte eben getrunken, seine Windel war gewechselt worden, und jetzt war es munter und zum Spielen bereit. Ida lächelte ihren Sohn an und wurde mit einem zahnlosen Grinsen belohnt, das in ihr eine überwältigende Liebe auslöste. Diese Liebe hatte sie nicht von Anfang an empfunden. Während der ersten Tage nach seiner Geburt war sie verwirrt und in weinerlicher Stimmung gewesen und hatte
mit widersprüchlichen Emotionen gekämpft, aber als sie sich am fünften Tag über seine Wiege gebeugt hatte, waren seine Augen offen gewesen, er hatte sie angesehen, und in diesem Moment schien die Schnur, die sie einst verbunden hatte und die dann durchtrennt worden war, wieder zusammenzuwachsen. Ihre Brüste hatten zu schmerzen begonnen, und als sie den Kleinen hochgehoben und an sich gedrückt hatte, hatte sie begonnen, ihn zu lieben. Die Umstände seiner Zeugung zählten nicht mehr. Er war ein Teil von ihr, er gehörte ihr.
Mit einem Ausdruck angestrengter Konzentration auf dem Gesicht gelang es dem Baby endlich, nach ihrem Zopf zu greifen. Ida strahlte vor Stolz. Er war ja erst drei Monate alt.
Sie erzählte ihm gerade, was für ein kluger Junge er war, als Henry von einem Ausritt zurückkehrte. Seine Hose war mit Schlamm bespritzt, seine Wangen vom Wind gerötet. Ida versank mit William auf dem Arm in einem tiefen Knicks. Henry bedeutete ihr und den anderen Frauen, sich zu erheben, und trat zu ihr.
»Wie geht es meinem jungen Mann?« Er bohrte William sacht einen Finger in die Brust. Das Baby krähte und wedelte mit den Armen, was Henry zum Lachen brachte.
»Es geht ihm ausgezeichnet, Sire«, erwiderte Ida. »Er greift nach fast allem, was er sieht. Alle staunen, wie weit er schon ist.«
»Bei diesen Eltern ist das ja auch kein Wunder.« Henry grinste, dann musterte er sie nachdenklich. »Du siehst gut aus«, stellte er fest. »Sehr gut sogar.«
Sie sah, wie sein Blick zu ihren Brüsten wanderte, und war froh, ihr Gewand nach dem Stillen wieder mit den goldenen Broschen geschlossen zu haben.
»Es geht mir auch gut, Sire.«
Er legte eine Hand auf ihren Zopf und fuhr mit dem Daumen
darüber – der Mann griff gierig nach dem, was dem Sohn spielerisch dargeboten worden war.
»Ich möchte dich in meiner Kammer sehen«, sagte er. »Jetzt sofort.«
Ida errötete heftig. Sie war sich bewusst, dass die anderen Frauen angelegentlich in eine andere Richtung blickten und vorgaben, nichts gehört zu haben. Sie war vierzig Tage nach Williams Geburt ausgesegnet worden, und da Henry sie seitdem nicht in sein Bett befohlen hatte, hatte sie zu vermuten begonnen, er habe das Interesse an ihr verloren. Was ihr recht gewesen war, weil sie sich fast ausschließlich dem Baby widmete.
»Ich … ich nähre immer noch unseren Sohn«, stammelte sie. »Während dieser Zeit ist es eine Sünde für eine Frau, bei einem Mann zu liegen. Die Kirche verbietet es.«
»Gib ihn einer Amme«, erwiderte Henry barsch. »Es gibt keinen Grund, warum du ihn noch länger selbst nähren solltest. Ich will dich in meinem Bett haben – oder willst du dich mir verweigern?«
Ida schluckte. Sie war eine Schachfigur, die nach Henrys Lust und Laune bewegt wurde. Er hatte gesagt, er würde für sie und ihren Sohn sorgen, aber diese Fürsorge war an Bedingungen geknüpft.
»Natürlich nicht, Sire«, gab sie zurück. »Aber ich dachte, Ihr wärt nicht mehr an mir interessiert.«
Er lächelte flüchtig.
»Ich habe nur meine Zeit abgewartet. Es ehrt dich, dass du dich so rührend um das Kind kümmerst, aber er ist bei einer Amme in guten Händen.«
Sich innerlich leer fühlend reichte Ida ihren Sohn an Hodierna weiter. Die ältere Frau legte ihre Hand mitfühlend über die Idas.
»Du bist stärker, als du denkst«, murmelte sie. Es klang fast wie ein Segen. »Vergiss das nicht. Sei wie das Wasser. Fließe um alle Hindernisse herum und suche dir deinen eigenen Weg. Ein Fels zerschmettert vieles, ein Schwert trennt Gliedmaßen ab, aber der Fluss höhlt den Felsen aus und lässt Stahl rosten und zu Pulver zerfallen.«
Henrys Ungeduld setzte sich in seiner Kammer fort, wo er sich kaum die Zeit nahm, die Vorhänge zuzuziehen, bevor er sich über sie rollte. Er entkleidete weder sich noch sie, sondern schob nur leise grunzend Wolle und Leinen beiseite und drang in sie ein. Ida wand sich erst unter ihm, fügte sich dann aber willig. Es war fast ein Jahr her, seit er zum letzten Mal bei ihr gelegen hatte, und bei dem Gedanken, alles könne von
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