Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
unverheiratet.«
Der Sturm tobte über ihnen, und das Geräusch des auf die Dachschindeln trommelnden und gurgelnd in einem Abfluss verschwindenden Regens drang laut durch das offene Fenster. Ein Diener schickte sich an, es zu schließen, aber Ida hielt ihn davon ab. »Ich höre den Regen gern.«
Ihr Bruder blickte erst sie, dann den Diener an. Seine Augen weiteten sich.
»Das mag ja sein«, erwiderte er, »aber dafür verfügst du über Macht und Einfluss.«
Ida verzog das Gesicht.
»Die Macht, einen Diener anzuweisen, ein Fenster zu öffnen oder zu schließen?«
Er berührte mit einer versöhnlichen Geste ihren Arm. »Aber du kannst einem Diener Befehle erteilen und erwarten, dass er dir gehorcht. Das nennt man Autorität. Es ist ein Glücksfall für unsere Familie, dass du Henrys Mätresse bist und sein Kind trägst.«
Ida verschränkte die Arme, sodass die weiten Ärmel ihres Gewandes ihren Bauch verdeckten, obwohl er immer noch fast flach war.
»Glaubst du, unser Vater wäre über meinen Zustand sehr erfreut?«, wollte sie wissen. »Oder unsere Mutter?« Ihr Kinn zitterte. »Es ist eine Schande, kein Glücksfall.«
»Es ist keine Schande, die Mätresse eines Königs zu sein«,
widersprach Goscelin sachlich. »In den Adern dieses Kindes wird königliches Blut fließen, und es wird Prinzen als Geschwister haben. Es tut mir leid, dass das passiert ist, und es tut mir leid, dass ich nicht da war, um dir beizustehen, aber es ist keine Katastrophe. Eine Katastrophe wäre es, wenn du das Kind eines Schankkellners oder eines Küchenburschen tragen würdest. Unsere Familie wird in den nächsten Jahren die Gunst des Königs genießen – wenn nicht die Henrys, dann die seiner Söhne. Ich werde Onkel eines Sprosses des Königs.« Ein erfreutes Grinsen trat auf sein Gesicht.
Ida hatte Mühe, ihn nicht grob anzufahren. Was er sagte, mochte stimmen, aber er war nicht derjenige, der das Kind bekommen musste. Er war nicht derjenige, der mit Henry ins Bett gehen und den intimsten körperlichen Akt überhaupt mit ihm vollziehen musste.
»In der Tat«, erwiderte sie steif. Goscelin mochte ja drei Jahre älter sein als sie, aber was Erfahrungen betraf, war sie wesentlich reifer. Erst vor einigen Tagen hatte sie sich alt gefühlt. Und doch war er der Einzige, der ihr von ihrer Familie geblieben war, und es tat gut, ihn zu sehen. Darauf konzentrierte sie sich jetzt. Sie hatten so viele Jahre aufzuholen, und nicht alle davon waren traumatisch gewesen. Sie brachte ihm Wein und setzte sich mit ihm auf die Bank, während das Gewitter in Richtung Oxford abzog.
Roger Bigods Vorfahren waren alle Tafelmeister des königlichen Haushalts gewesen – ein Amt, das vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde. Daher gehörte es zu Rogers Pflichten, für das Servieren der Speisen an der königlichen Tafel zu sorgen. Obwohl dies nur noch eine zeremonielle Aufgabe war, die für gewöhnlich auf Untergebene abgewälzt wurde, hatte Roger sie nach seiner Rückkehr selbst übernommen. So brachte
er sich Henry wieder in Erinnerung, denn der König konnte schwerlich den Mann übersehen, der ihm sein Essen vorsetzte.
Von seiner Position auf dem Podest aus, ein weißes Tuch über eine Schulter gelegt, suchte Roger Ida und entdeckte sie inmitten der Höflinge. Sie saß an einem Tisch zur rechten Seite des Königs und teilte sich ihr Schneidebrett mit einem dunkelhaarigen jungen Mann. Ab und an berührte sie lächelnd seinen Arm, und Roger durchzuckte ein Stich der Eifersucht, den er sofort zu unterdrücken versuchte. Es ging ihn nichts an, ob sie seine Abwesenheit vom Hof dazu genutzt hatte, eine neue Eroberung zu machen. Überraschenderweise schien sich Henry nicht daran zu stören. Roger fragte sich, ob er selbst übervorsichtig und übermäßig zurückhaltend gewesen war. Ida war seinem Blick während der gesamten Mahlzeit ausgewichen, was ihn ärgerte. Sie hätte zumindest so viel Höflichkeit aufbringen können, ihn zur Kenntnis zu nehmen.
Als das Mahl vorüber war, bildeten sich zwanglose Gruppen, und eine lebhafte Unterhaltung setzte ein, während die Tische abgeräumt wurden. Idas junger Kavalier war ihr beim Aufstehen behilflich und begleitete sie aus der Halle. Nachdem er sich mit einem vertraulichen Kuss auf die Wange von ihr verabschiedet hatte, kam er zurück und beteiligte sich an einem Würfelspiel, das in einer Ecke begonnen hatte. Roger war so sehr damit beschäftigt, den Neuankömmling im Auge zu behalten, dass er seine
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