Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Stiefmutter erst bemerkte, als sie neben ihm stand. Gundreda ihrerseits hatte ihn während des Essens ständig angestarrt und dafür gesorgt, dass er ihre Anwesenheit bei Hof registrierte. Er hoffte nur, sie würde ihre Angelegenheiten, welcher Art sie auch immer sein mochten, klären und dann wieder abreisen.
»Beim König die Rolle des Tafelmeisters zu spielen macht dich noch lange nicht zum Earl of Norfolk«, zischte sie ihm
jetzt giftig zu. »Der König wird dir nie den Titel und das Land zusprechen.«
Roger erwiderte ihren Blick voller Verachtung.
»Aber Euren Söhnen auch nicht, Mylady. Der König wird die Grafschaft überhaupt nicht vergeben, solange er die Einnahmen, den dritten Penny und lächelnd Bestechungsgelder kassieren kann.«
Ihre Nasenflügel bebten.
»Weiß er, wie du über ihn denkst?«
»Er weiß, dass er mich da hat, wo er mich haben will, und dasselbe gilt für Euch. Egal wie Ihr Euch dreht, Ihr hängt an seinem Gängelband. Eure Bestechungsversuche leeren nur Eure Truhen und füllen die seinen.«
»Du machst ihm doch auch Geschenke.« Gundreda ballte die Fäuste. »Ich weiß von dem Pferd, das du mitgebracht hast.«
»Es war Teil einer Schuld, die ich noch zu begleichen hatte, und wenn ich will, kann ich dieses Spiel auch spielen… Madam.« Er verneigte sich knapp und schritt davon.
Gundreda starrte ihm nach, doch allmählich linderte ein nachdenklicher Ausdruck die harten Linien in ihrem Gesicht. Er hatte mit seiner Behauptung Recht gehabt, dass Henry sie gegeneinander ausspielte. So, wie es aussah, hatte Roger momentan die Oberhand, und das, obwohl sie mit einem erfahrenen Anwalt von Henrys Gerichtshof verheiratet war. Unglücklicherweise war ihr Stiefsohn gleichfalls mit den Gesetzen gut vertraut. Aber wenn der Vater sie nicht anhören wollte, würde es der junge König vielleicht tun. Schließlich war er der Thronerbe, und Henry würde nicht ewig leben.
Idas Kavalier hatte beim Würfeln gute Gewinne gemacht. Schon sichtlich angetrunken strich er den Haufen Münzen ein, der vor ihm auf dem Tisch lag, wobei einige wie silberne Regentropfen
zu Boden fielen. Roger bückte sich, rettete ein paar Silberpennys davor, in den Bodenritzen zu verschwinden, und reichte sie ihm. Der junge Mann nuschelte einen Dank und erhob sich unsicher.
»Wo seid Ihr untergebracht?«, fragte Roger. »Ich begleite Euch.«
»Dort drüben in der Nähe des Parks.« Der andere wedelte in Richtung des Geländes von Everswell, wo auch Ida und die Hofdamen wohnten. Diese Erkenntnis veranlasste Roger, die Zähne zusammenzubeißen.
Draußen in der vom Sturm abgekühlten Luft schwankte sein Begleiter leicht und stützte sich an der Wand ab. Roger betrachtete ihn im Licht der Laterne, die er mitgebracht hatte.
»Es ist nicht ratsam, in der Halle des Königs zu viel zu trinken«, sagte er knapp. »Ihr seid nicht immer unter Freunden, auch wenn es so aussehen mag.«
Er wurde mit einem Blick bedacht, der ihm seltsam vertraut vorkam.
»Aber Ihr seid mein Freund, nicht wahr?«
»Nein, aber auch nicht Euer Feind. Ich bin Roger Bigod, der Lord von Framlingham. Ich habe Euch bei Hof noch nie gesehen.«
Der junge Mann stieß sich von der Wand ab und steuerte auf die Gästeunterkünfte von Everswell zu.
»Ich war in der Normandie – bei meinem Vormund –, aber ich werde in Kürze zum Ritter geschlagen.« Wieder blieb er stehen und drehte sich mit ausgestreckter Hand zu Roger um.
»Mein Name ist Roger de Tosney, aber jeder nennt mich Goscelin, lange Geschichte, hängt mit meiner Kinderfrau zusammen … interessiert Euch sicher nicht …«
»Ah, dann müsst Ihr mit Lady Ida verwandt sein.« Roger
ergriff Goscelins feuchte Hand und lächelte, als seine innere Anspannung etwas nachließ.
»Sie ist meine Schwester. Kennt Ihr sie?«
»Flüchtig.« Sie gingen weiter, Roger schnurgerade, Goscelin torkelte stark. Roger schüttelte den Kopf. »Als ich Euch mit ihr sah, dachte ich, der König hätte einen Mann für sie ausgewählt, aber jetzt sehe ich die Ähnlichkeit.«
Goscelin lachte.
»Sie ist viel hübscher als ich.« Er blieb vor einem niedrigen Holzgebäude stehen, einem der Gästehäuser des Komplexes. Die Tür stand offen und gab den Blick auf einen Kamin und mehrere Schlafstellen frei. »Ich versuche, mein Möglichstes für Ida zu tun«, sagte er, ein Rülpsen unterdrückend. »Wenigstens ist es der König. So sind weder sie noch das Kind der allgemeinen Verachtung ausgesetzt.«
»Das Kind?«, fragte Roger
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