Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
hilft nicht gerade, dass Gundredas Schwager zum Justiciar ernannt worden ist. Solange er über solche Macht verfügt, habe ich keine Chance, an mein Erbe zu kommen.«
Juliana hob eine schmale goldene Braue.
»Ranulf de Glanville mag Justiciar sein, aber deswegen ist er noch lange nicht das Maß aller Dinge.«
»Er wird alles tun, um die Interessen seiner eigenen Familie zu vertreten. Alles, worauf ich hoffen kann, ist, keinen Fehler zu machen und dadurch Boden zu verlieren.« Er verzog das Gesicht. »Zum Glück bin ich ein geduldiger Mensch.«
»Du gleichst aber auch einem Wasserkessel über einem niedrigen Feuer«, versetzte seine Mutter. »Du simmerst, aber es bedarf nicht mehr viel, und du kochst über.«
Roger warf ihr einen fragenden Blick zu.
»Ich denke an Fornham.«
Er schüttelte den Kopf.
»Das ist nicht dasselbe. Nachdem ich mich entschieden hatte zu gehen, hatte es keinen Sinn mehr, auf Zeit zu spielen, weil nichts da war, auf das es sich zu warten lohnte. Dieses Mal wird es am Ende eine Belohnung geben … und wenn nicht, ist es nicht mein Fehler.«
Juliana beobachtete die um ihre elegant beschuhten Füße herumpickenden Tauben.
»Aber du hast Potenzial, mein Sohn. Die Art, wie du reitest, zeigt mir, dass in dir ein Feuer brennt.«
»Ich verliere nie die Kontrolle über mich«, gab er abwehrend zurück.
»Und das ist auch gut so.« Juliana bedachte ihn mit einem vielsagenden Blick.
Zwei Mägde kamen auf dem Rückweg von der Molkerei, wo sie Käse gemacht hatten, an ihnen vorbei und knicksten vor Roger und Juliana. Eine hatte mit ihren hellbraunen Augen und den dunklen Brauen eine flüchtige Ähnlichkeit mit Ida de Tosney, und Rogers Blick blieb kurz auf ihr haften. Seiner Mutter entging wie üblich nichts.
»Vielleicht solltest du reich heiraten, während du auf Henrys Entscheidung wartest«, meinte sie.
Roger schnitt eine Grimasse.
»Das hängt auch vom König ab. Als Kronvasall kann ich nicht ohne seine Erlaubnis heiraten, und er gewährt seinen Untertanen grundsätzlich nur das, was ihm selbst Vorteile bringt.«
»Aber du hast noch nicht darüber nachgedacht?«
Ihr Scharfblick verursachte ihm Unbehagen.
»Nicht ernsthaft«, wich er aus. »Ich habe noch viel Zeit.«
»Das meinst du«, erwiderte sie. »Aber solange du nicht heiratest und Kinder zeugst, sind Gundredas Söhne deine Erben. Das solltest du nicht vergessen.«
Er zuckte die Achseln. Diese Tatsache war ärgerlich, aber nicht zu ändern. Er hatte die Wahrheit gesagt, als er erklärt hatte, noch keine Frau wirklich als Heiratskandidatin in Betracht gezogen zu haben, weil es keine gab, die bezüglich ihrer Person und Mitgift seinen Ansprüchen gerecht wurde. Ida war ein Traum, und er war nüchtern und sachlich genug, um den Unterschied zwischen Traum und Realität zu kennen.
12
Valognes,
August 1180
Roger traf an einem Sommernachmittag in Valognes ein, nachdem er am Tag zuvor sein Land nahe Bayeux verlassen hatte. Die Sonne brannte auf seinen Rücken, als er bei dem Wassertrog im staubigen Stall abstieg und sein Pferd einem Stallburschen übergab.
Er wischte sich mit dem Arm über die Stirn und ging über den Hof, um seine von dem anstrengenden Ritt verkrampften Muskeln zu lockern. Das Geräusch von Stimmen und Gelächter lockte ihn in Richtung des Gartens hinter den Ställen, der von einem Zaun umgeben war, an dem sich Kletterrosen, Geißblatt und andere Blumen rankten. Dort lauschten die Damen des Hofes einem Musikantentrio, während sie nähten oder webten. Gestreifte Segeltuchplanen spendeten Schatten, und auf hölzernen Platten stand ein Imbiss bereit: kleine Törtchen, Brot, Käse und Krüge mit Wein. Letztere erinnerten Roger daran, wie durstig er war. Und hier, inmitten der Frauenschar, entdeckte er plötzlich Ida de Tosney mit ihrem kleinen Sohn. Schlank und lebendig in einem Gewand aus roter Seide hielt sie das Baby lachend über ihren Kopf, während sie ihm etwas vorsang. Der Kleine krähte und fuchtelte mit den Armen. Der Anblick versetzte Roger einen Stich, und er schickte sich an, sich unauffällig zurückzuziehen, aber Ida hatte ihn schon gesehen und bedeutete ihm, noch immer lachend, in den Garten zu kommen.
Ertappt blieb Roger nichts anderes übrig, als so staubbedeckt und verschwitzt, wie er war, der Aufforderung Folge zu leisten.
»Gottes Gruß, Lord Bigod.« Obwohl sie das Baby jetzt auf
einer Hüfte balancierte, brachte sie einen Knicks zustande. Der Kleine hatte weiche dunkle Haare und Idas
Weitere Kostenlose Bücher