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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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jemandem auffällt, dass ich fehle, wirst du das Gleiche machen wie ich vorhin für dich – nämlich lügen.«
    Claire schüttelte den Kopf. »Warum bist du nur so darauf versessen, Isabella ein hübsches Kleid zu schenken?«
    »Weil es schrecklich ungerecht ist, dass sie von ihren Eltern so vernachlässigt wird!«
    »Und deswegen willst du einfach den Stoff stehlen – vorausgesetzt, bei besagter Ware handelt es sich überhaupt um feinen Stoff?«
    Valeria grinste. »Onkel Julio kann mich später nicht zur Rede stellen, denn dann müsste er offen zugeben, was er der eigenen Tochter vorenthält, und obendrein, dass er schmuggelt. So aber wird er beschämt schweigen, wenn ich sage, dass der Stoff ein Geschenk von mir ist. Keine Angst – bis zum Ende des dritten Akts bin ich zurück.«
    »Wenn du tatsächlich den Stoff findest – wie willst du ihn dann überhaupt unauffällig nach Hause bringen?«, fragte Claire skeptisch.
    Diesen Einwurf konnte Valeria nicht so schnell entkräften, das war in der Tat ein Problem. Aber darüber konnte sie sich später immer noch den Kopf zerbrechen.
    »Mir fällt schon eine Lösung ein«, erklärte sie leichtfertig.
    »Du tust das alles nicht nur wegen Isabella, nicht wahr?«, fragte Claire leise. »Gegen Julio kannst du etwas unternehmen – gegen die Missachtung deiner Eltern nicht.«
    Valeria verdrehte die Augen. Warum war Claire immer so begierig darauf, sich alles bis ins Letzte erklären zu können? Wichtig war doch nur, dass man erreichte, was man wollte, nicht, was einen dazu antrieb!
    Anstatt etwas dazu zu sagen, warf sie ihr nur einen letzten beschwörenden Blick zu, raffte ihr Abendkleid und verließ die Oper.
     
    Es war leichter als erwartet, die Lagerhalle zu finden, jedoch ungleich schwerer, sich dort zurechtzufinden, so stockdunkel, wie es war. Die Straßen und Gassen rund um das Theater Solis waren beleuchtet, hier aber gab es keine andere Lichtquelle als den Mond.
    Immerhin war es Vollmond, und wenn er sich nicht gerade hinter Wolken versteckte, konnte Valeria das Notwendigste erkennen, zumal sich ihre Augen bald an die Finsternis gewöhnten.
    Die Lagerhalle war nur mit einem Riegel verschlossen, den sie mit einiger Kraftanstrengung zurückschieben konnte. Allerdings blieb ihr Kleid am morschen Holz hängen, als sie eintrat, und riss auf. Sie fluchte, als sie den Schaden betrachtete – und tat das sofort wieder, als sie sich nach wenigen Schritten an einer der Kisten das Schienbein anstieß.
    Es waren sehr viele Kisten: In der Nähe des Eingangs standen jeweils nur zwei aufeinander, an der Rückseite der Halle reichten die Stapel jedoch bis zur Decke.
    Was für eine Unmenge an Luxusware Julio da importiert hatte!
    Valeria blickte sich etwas ratlos um: Vorhin war sie nicht auf Claires Einwand eingegangen, wie sie den Stoff nur unauffällig nach Hause transportieren sollte, jetzt aber überlegte sie fieberhaft, wo sie ihn deponieren könnte, um ihn morgen zu holen. Ihr fiel keine rechte Lösung ein, und sie konnte Fräulein Claasen förmlich hören, wie die ihr in dieser Lage schmallippig vorhalten würde, dass sie besser zuerst nachgedacht und dann gehandelt hätte.
    Nun, das Wichtigste war ohnehin, die Kiste zu öffnen – und das war leichter gesagt als getan, denn sie waren allesamt zugenagelt. Vor allem aber waren sie so schwer, dass sie sie kein Jota von der Stelle rücken konnte. Merkwürdig, Stoffe besaßen doch nicht dieses Gewicht!
    Unbehagen überkam sie, das sie sich nicht recht erklären konnte. Außerdem begann sie, in ihrem leichten Abendkleid zu frieren, und ihre Entschlossenheit geriet ins Wanken. Alles in ihr drängte, möglichst schnell ins Theater und unter Menschen zurückzukehren, aber dann dachte sie an die unglückliche Isabella und biss die Zähne zusammen. So schnell wollte sie sich nicht in die Flucht schlagen lassen.
    Und hier! Lag da nicht ein Messer? Die Kälte fiel von ihr ab, und sie geriet ins Schwitzen, als sie die Klinge in einen Spalt der Kisten zwängte, sämtliches Gewicht auf den Griff legte und solcherart die Kiste aufzubrechen versuchte. Es knirschte, als das Holz brach, dann sprang der Deckel auf, doch ehe sie den Inhalt mustern konnte, schob sich eine Wolke vor den Mond. Eine Weile sah sie nichts als Schwärze, doch ungeduldig, wie sie war, ließ sie sich nicht davon abhalten, in die Kiste zu greifen. Sie fühlte keinen weichen, feinen Stoff – sondern etwas Schweres, Kaltes.
    Als das Mondlicht wieder durch die

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