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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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gewesen, und beim Versuch, ihn zu öffnen, hätte sie die Aufmerksamkeit der Männer auf sich gezogen.
    Ob sie es wagen sollte, irgendwie durch den Hauptausgang zu fliehen? Aber nein, dort standen zwei Männer als Wachen positioniert. Sie saß in der Falle.
    Weitere Kisten wurden geöffnet und wieder begeistert kommentiert, was sich darin befand – Steinschloss-Pistolen diesmal, Degen, Kentermesser und Äxte.
    Der Lichtschein kam immer näher, die Stimmen und die Schritte auch. Valeria wagte kaum zu atmen. Sie zog die Füße an, machte sich so klein wie möglich, aber ahnte insgeheim, dass alle Bemühungen umsonst waren.
    Doch als die Männer ihr Versteck schon fast erreicht hatten, erklärte einer: »Wir können nicht alles mitnehmen.«
    »Warum nicht?«, hielt ein anderer zornig entgegen. »Glaubst du, ich lasse hier irgendetwas zurück, mit dem man unsere Landsleute abschlachtet?«
    »Pablo, begreif doch! Wir können unmöglich alles mit uns schleppen – das ist doch viel zu schwer. Und selbst wenn wir es transportieren könnten, unsere Soldaten können mit den meisten dieser Waffen doch ohnehin nicht umgehen.«
    »Dann müssen sie es lernen.«
    »Mit den Zweiunddreißigern werden die meisten niemals schießen können. Am besten, wir lassen sie hier.«
    »Lieber werfe ich sie ins Meer«, rief der andere erbost. »Los, kommt! Packt alle mit an! Und hör zu unken auf, Valentín.«
    Die übrigen Männer gehorchten jenem Pablo, der offenbar der Anführer der Bande war, aber Valentín hielt weiterhin dagegen: »Mörser, Kugeln und Haubitzen werden auch in der Gießerei von Ybycuí produziert – zumindest das brauchen wir nicht. Und Schießpulver auch nicht. Pyrit gibt es bei uns in Fülle.«
    »Ich verzichte auf gar nichts. Alles, was wir haben, haben diese verdammten Hurensöhne nicht. Los!«
    Valeria unterdrückte nur mühsam den Drang, erneut die Hände vor die Augen zu schlagen. Wenn sie bis jetzt daran gezweifelt hätte, hatte sie nun endgültig Gewissheit: Diese Männer waren eine Truppe Paraguayer. Sie fühlte den Boden unter ihren Füßen vibrieren, und als sie kurz hinter der Kiste hervorlugte, erkannte sie, dass die Feinde kaum ein halbes Dutzend Schritte von ihr entfernt waren. Sie waren zwar nicht so groß wie die meisten Männer aus Uruguay, hatten aber breite Schultern und rohe Hände. Mühelos wuchteten sie auch noch die schwersten Waffen hoch und banden sie sich teilweise um. Auch ohne all die Gewehre hätten sie furchterregend gewirkt, trugen sie doch alle ein Messer am Gürtel … ein Messer, mit dem man einer unliebsamen Zeugin die Kehle durchschneiden konnte.
    Als sie schon befürchtete, endgültig entdeckt zu werden, fiel das Licht der Lampe auf ein paar graue Stoffballen, die sie bis jetzt noch nicht gesehen hatte. Wahrscheinlich sollten diese dem Zweck dienen, Uniformen zu schneidern. Ohnehin schon schwer beladen, würden die Männer auf den Stoff gewiss verzichten – und ein Ballen war groß genug, um sich dahinter zu verkriechen, vorausgesetzt, sie schaffte es unauffällig dorthin.
    Wie viele Schritte sie zurücklegen müsste? Fünf? Oder gar zehn?
    Nun, es blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, wie gut ihre Chancen standen. Sie musste es versuchen! Sie schöpfte tief Atem, wartete darauf, dass neue Kisten aufgebrochen wurden und das Geräusch ihre Schritte dämpfte, dann hastete sie los.
    Sie war schneller dort als erwartet, streckte ihre Hand aus und konnte den Stoffballen berühren. Jetzt musste sie es nur schaffen, sich irgendwie dahinter zu verstecken. Sie tat es vorsichtig – leider nicht vorsichtig genug.
    In ihrer Panik hatte sie nicht gesehen, dass sich neben den Stoffballen Fässer befanden – offenbar allesamt mit Schießpulver gefüllt. Eines fiel um, als sie dagegen stieß, riss andere mit und rollte auf die Männer zu. Pablo, der Anführer, stoppte das rollende Fass mit seinem Fuß – ein dumpfer Klang, der in ihren Ohren dennoch laut wie ein Schuss tönte. Als er verstummt war, traf sie ein Lichtschein – und eine Stimme: »Wen haben wir denn da?«
     
    Ihre Angst war so gewaltig, dass sie vermeinte, ihre Brust würde zerspringen und das Herz augenblicklich zu schlagen aufhören. Ja, sie würde vor Schreck sterben, ohne dass die Männer auch nur eine Hand nach ihr ausstrecken mussten. Aber als sie sie langsam umstellten und von allen Seiten näher kamen, rettete sie keine gnädige Finsternis. Ihre Sinne blieben hellwach, und in ihrem Kopf kreiste immer wieder

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