Die Rosen von Montevideo
nichts mit den edlen Rössern, wie ihr Vater Albert sie ritt, gemein, sondern waren dreckige Gäule. Statt einer Trense hatte man durch ihr Maul lediglich einen Strick gezogen, der mittels eines Knotens festgehalten wurde.
Eben zog der Mann, vor dem sie saß, daran. Bei einer kleinen Gruppe gedrungener Bäume, die von der Sonne verdorrt und vom Wind gebogen waren, legten sie eine Rast ein. Jetzt erst sah sie, mit wem sie geritten war – es war der Anführer der Truppe, Pablo. Nachdem er selbst abgestiegen war, machte er keine Anstalten, ihr vom Pferd zu helfen, und sie hatte keine Ahnung, ob sie sitzen bleiben oder es riskieren sollte, sich den Hals zu brechen. Schließlich trat der andere, der Valentín hieß, auf sie zu, und reichte ihr seine Hand. Sie nahm sie nur unwillig, schlug aber seine Hilfe nicht aus. Als sie auf festem Boden stand, betrachtete sie ihr Kleid, das zerrissen und staubig war. Die anderen waren ihrem Blick gefolgt, und Pablos breites Grinsen bekundete, dass er sich über ihre entsetzte Miene zu amüsieren schien.
»Mein Großvater und mein Onkel gehören zu den reichsten Männern Montevideos … Sie werden bereit sein, alles Geld der Welt zu zahlen, um mich wiederzubekommen!«, rief Valeria.
Pablo sagte nichts, aber Valentín nickte nachdenklich. »Sie hat recht – wir sollten so bald wie möglich Forderungen an die de la Vegas’ stellen.«
Anstatt ihm zu antworten, ließ Pablo seinen Blick gemächlich über ihren Körper wandern.
»Warum diesen Goldvogel gleich wieder fliegen lassen?«, fragte er gedehnt. »Er kann uns viel mehr einbringen als einen einmaligen Betrag.«
»Hast du den Verstand verloren? Es war schon gefährlich genug, nach Montevideo zu reiten – mit ihr an unserer Seite werden wir sicher verfolgt. Alejandro de la Vegas ist ein einflussreicher Mann, der nicht ruhen wird, bis er seine Enkeltochter wiederhat. Wir müssen zusehen, dass wir sie loswerden.«
Obwohl der eine so höhnisch wirkte, der andere besorgt, war die Ähnlichkeit der beiden unverkennbar: Ihre etwas gedrungene, kräftige Statur glich sich ebenso wie die dunklen Augen, die Adlernase und das stolze Kinn. Sie waren offenbar Brüder – und die Rädelsführer der Bande. Der Rest der Männer beobachtete sie mit ausdruckslosem Gesicht und schien an Meinungsverschiedenheiten gewöhnt.
»Gar nichts müssen wir!«, rief Pablo. »Denkst du, mir geht es um Geld?«
»Worum denn dann?«
Pablo deutete auf die gestohlenen Waffen, die sie teils umgebunden um den Körper trugen oder in den Satteltaschen verstaut hatten.
»Wir brauchen in den nächsten Jahren noch mehr Waffen – und Alejandro oder Julio wird sie uns besorgen.«
Er sprach von Jahren? Sie wollten sie tatsächlich so lange gefangen halten? Valeria kämpfte mühsam um Fassung.
Valentín indes schnaubte. »Wie stellst du dir das denn vor? Wie sollen diese Waffen denn künftig übergeben werden? Julio de la Vegas wird sie kaum nach Paraguay liefern können – und wir tun gut daran, wenn wir die Banda Oriental so schnell wie möglich verlassen.«
»Sei nicht so ein entsetzlicher Hasenfuß!«
»Und sei du ein wenig vernünftig!«
Die Brüder maßen sich mit eisigen Blicken, aber es fiel kein Wort mehr. Nach einer Weile wandte sich Pablo ab, scharrte mit den Füßen in der Erde und befahl, Feuer zu machen – offenbar ein Zeichen, dass der Streit vertagt wurde.
Valeria war erleichtert, dass er sie nicht weiter beachtete. Bald prasselte rauchspuckend das Feuer, und die Männer holten trockenes Fleisch aus ihren Taschen, spießten es auf Stäbe und hielten es darüber, bis es an den Rändern kohl war und das Fett zischend auf die Flammen tropfte.
Valeria verspürte keinerlei Hunger, aber als Valentín ihr ein Stück Fleisch reichte, nahm sie es. Sie ließ es auskühlen, setzte sich auf den Boden und nahm vorsichtig einen Bissen. Es war zäh wie Leder, und sie kaute gefühlte Ewigkeiten daran, bis sie es schlucken konnte. Währenddessen musterte sie die Männer unauffällig aus den Augenwinkeln. Was immer ihr bevorstand – es war wichtig, so viel wie möglich über diese Bande herauszufinden.
Einer von ihnen war gänzlich dunkler als die anderen, nicht nur weil seine Haut schmutz- und schweißverklebt war, sondern von Geburt an. Valeria konnte ihn kaum verstehen, als er etwas zu den Brüdern sagte, da er mit einem starken Akzent sprach.
Ihr dröhnte der Kopf, dennoch versuchte sie, sich daran zu erinnern, was sie von den vielen Gesprächen
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