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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Valentíns Stirn arbeitete, aber schließlich starrte er auf seine Hände und sagte kein Wort mehr. Sie war froh, dass zumindest einer für sie eingetreten war – und verärgert und enttäuscht, dass er so schnell klein beigegeben hatte.
    Asunción … Sie wollten sie in die Hauptstadt Paraguays bringen, bestimmt eine lange Wegstrecke voller Gefahren.
    O Gott, wie kam sie je wieder heil aus dieser Sache heraus?
    Tränen stiegen hoch, doch sie schluckte sie so entschlossen hinunter wie das zähe Fleisch. Wenn sie jetzt der Verzweiflung nachgab, würde sie zusammenbrechen, und das würde nichts an ihrer Lage ändern. Also klammerte sie sich an die Hoffnung, dass die Männer sie am Leben lassen und sie halbwegs gut behandeln würden, solange sie sie brauchten – und dass sich auf dem langen Weg nach Paraguay vielleicht die Möglichkeit zur Flucht bot.
     
    Sie ritten immer weiter vom Meer fort Richtung Nordwesten. Valeria wusste nicht, wie groß das Heimatland ihrer Mutter war, und wie lange es dauern würde, bis sie es durchquert hatten, und irgendwann war sie zu erschöpft, um darüber nachzudenken. Alle Knochen taten ihr weh, weil sie es nicht gewohnt war, so lange zu reiten, und jedes Mal, wenn sie Pausen einlegten und sie vom Pferd stieg, wurde der Schmerz so groß, dass sie hätte schreien können. Sie verbiss es sich, denn sie wollte die Aufmerksamkeit der Männer nicht auf sich ziehen, dennoch stiegen ihr immer wieder Tränen in die Augen. Ihr salziger Geschmack vermengte sich mit dem des zähen Dörrfleisches, das man ihr zu essen gab und das ihren Magen füllte, ohne sie richtig satt zu machen. Am Abend sank sie stets in einen tiefen, traumlosen Schlaf, und wenn sie am nächsten Morgen erwachte, hatte sie für einen kurzen, gnädigen Moment lang vergessen, was ihr zugestoßen war. Sie streckte sich wohlig aus, wähnte sich daheim im Taunus, im Pensionat oder im Haus der de la Vegas’. Doch dann spürte sie den harten, sandigen Boden, verkrampften sich die wehen Muskeln, sie roch den Schweiß der Männer, und ihr Entsetzen wurde übermächtig – bis die körperlichen Strapazen aufs Neue sämtliche Gefühle und Gedanken ausmerzten.
    Anfangs hatte sie die Männer genau beobachtet und sich ihre Namen und Gesichter eingeprägt. Später richtete sie ihr Augenmerk auf die Landschaft, um im Fall des Falles, dass ihr die Flucht gelang, den Weg nach Montevideo zurückzufinden – sicher kein leichtes Unterfangen, weil sie selten ein so eintöniges Land gesehen hatte: Zuerst waren sie über endlos weite Wiesen und Steppen geritten, vorbei an mal überschaubaren, mal riesigen Viehherden. Nach den vielen Stunden unter stechender Sonne war sie erleichtert, schließlich einen Wald zu erreichen, wo riesige Rebora-hacho-Bäume und eine Akazienart, die Algarrobos, Schatten spendeten. Die frische Luft, die sie einsog, musste allerdings zu dem Preis erkauft werden, dass Dornenbüsche die Füße zerkratzten, sobald sie vom Pferd stieg. Schwül wurde es in der Sumpflandschaft, die folgte, von riesigen Fächerpalmen durchsetzt und von gewaltigen Bäumen – Cedros und Lapachos – begrenzt, deren Stämme von Kletterpflanzen überwuchert waren. Schweiß tropfte ihr andauernd vom Gesicht, und sie schloss nun meist müde die Augen. Unmöglich wurde es, sich jeden Baum zu merken, und manchmal gestand sie sich verzagt ein, dass sie niemals durch diese Einöde hindurch allein nach Montevideo zurückfinden würde. Sie war dem wilden, unwegsamen Land ebenso rettungslos ausgeliefert wie der Übermacht an Männern.
    Keiner von ihnen zeigte je Mitleid, und Valentín, auf den sie anfangs ihre größte Hoffnung gesetzt hatte, verlangte von seinem Bruder nicht noch einmal, sie freizulassen. Nach einigen Tagen wurde sie blind für die eintönige Umgebung, zunehmend schwächer und ergab sich schließlich ihrem Schicksal, anstatt sich dagegen aufzubäumen.
    Eines Abends jedoch – sie waren mittlerweile eine Woche unterwegs und machten wieder einmal Rast im Schatten einiger Bäume – entdeckte sie in der Ferne Lichter, die inmitten des bislang menschenleeren Landes die Existenz weiterer Menschen verrieten. Vielleicht stammten sie von Reisenden wie sie, vielleicht von einem Bauernhof oder einer Poststation. Die Männer, die ansonsten jegliche Siedlung mieden, sahen davon offenbar keine große Gefahr ausgehen: Pablo starrte zwar eine Weile in die Richtung, entschied dann aber ungerührt, hier die Nachtruhe einzulegen.
    Trotz ihrer

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