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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Augen und tat, als würde sie das warme Licht genießen. Durch einen schmalen Spalt beobachtete sie, dass er es ihr gleichtat, und jenen Augenblick nutzte sie, den Inhalt von Espes kleinem Fläschchen in den Krug Wein zu schütten. Es war eine Mischung aus Mohn und Bilsenkraut.
    Als er die Augen wieder öffnete, hob sie prostend das Glas, und wie erhofft, führte er selbst endlich den Krug an die Lippen und nahm einen tiefen Zug.
    Die Zelle, in der Valentín gefangen war, befand sich im Keller des Gebäudes. Claire hatte ein dreckiges Loch erwartet, dessen Boden mit fauligem Stroh bedeckt war und das vor Ratten wimmelte, stattdessen lag Valentín auf einer dünnen Matratze auf nacktem Stein. Auch wenn der befürchtete Gestank ausblieb – vor Kälte war Valentín hier nicht gefeit. Die Wände waren feucht, die Luft roch irgendwie modrig.
    Nachdem Luis aufgesperrt hatte, zog er sich zurück. »Ich warte draußen«, erklärte er, »lass dir nicht zu viel Zeit. Ein paar Minuten reichen doch, ja?«
    Claire nickte rasch und musterte ihn aus den Augenwinkeln. Falls das Schlafmittel wirkte, gelang es ihm noch, jedes Anzeichen von Müdigkeit zu verbergen, und als sie die Zelle betrat, erwachte kurz die Hoffnung, ihr Plan würde daran scheitern, dass sie das Schlafmittel falsch dosiert hatte. Luis würde ihren Verrat nie bemerken – und vor Valeria konnte sie Espe die Schuld zuschieben. Als sie aber Valentín musterte und erkannte, dass er hier nicht mehr lange überleben würde, verwarf sie alle eigennützigen Gedanken und wünschte sich zum ersten Mal nicht nur um Valerias, sondern auch um ihrer selbst willen, dass sie ihn befreien konnte.
    Reglos lag er auf der Matratze. Er blickte nicht hoch, als sie auf ihn zutrat und seinen Namen murmelte. Die Kleidung hing ihm in Fetzen vom Leib, und darunter wurden kaum verheilte, großteils nässende Wunden und blaue Flecken sichtbar. Die vielen Verletzungen waren wohl auch der Grund für das Fieber. Sie fühlte es sogleich, als sie ihn vorsichtig berührte, und sah sich bestätigt, als er sie aus glasigen Augen blicklos anglotzte.
    »Valentín Lorente? Ich bin Claire Gothmann, Valerias Cousine.«
    Er sah sie weiterhin so stumpf an, dass sie befürchtete, er hätte sie nicht verstanden.
    »Bitte! Nehmen Sie all Ihre Kraft zusammen!«
    »Valeria …«, stieß er mühsam hervor.
    »Ja, sie schickt mich. Sie konnte selbst nicht kommen, weil sie …« Sie brach ab. Die Nachricht, dass sie ein Kind erwartete, sollte sie ihm besser selbst überbringen.
    »Wie auch immer … Ich werde versuchen, Sie hier rauszuholen. Aber es geht nicht ohne Ihre Hilfe. Sind Sie stark genug dazu?«
    Seine Augen schienen weiterhin so leer wie die eines Toten, aber schließlich nickte er und bemühte sich, sich zu erheben. Ein Stöhnen kam über seine Lippen. Er kämpfte sichtlich gegen Schmerzen und Schwindel, und als er endlich hockte, anstatt zu sitzen, war sein Kopf dunkelrot. Immerhin sackte er nicht gleich wieder zusammen.
    »Wie?«, fragte er heiser. »Wie wollen Sie mich hier rausbringen?«
    »Kommen Sie mit.«
    Als sie die Tür aufstieß, wappnete sie sich dagegen, Luis wach anzutreffen, und sie überlegte schon, was sie in diesem Fall tun sollte – am besten wäre es wohl, Valentín zurückzustoßen und ein dankbares Lächeln aufzusetzen. Doch Luis war vor der Zelle auf einen Stuhl gesunken. Seine Augen waren geschlossen, er atmete tief und gleichmäßig. Sein Anblick traf Claire mitten ins Herz. Obwohl selbst weder krank noch schwindlig, wankte sie und musste sich an den Türstock stützen.
    »Und jetzt?«, fragte Valentín, der sich seinerseits gegen die Wand lehnte.
    Claire deutete erschaudernd auf Luis. »Jetzt müssen Sie ihm die Kleidung ausziehen und sie anlegen.«
    Valentín schien trotz des Fiebers zu begreifen, was sie vorhatte – allerdings war er nicht eine so große Hilfe wie erhofft. Sie hatte gedacht, sie müsste Luis nicht anrühren, sondern könnte es ihm überlassen, ihm seine Kleidung zu stehlen, doch schon als Valentín nur einen einzigen wackeligen Schritt auf ihn zumachte, erkannte sie, dass das in seinem Zustand unmöglich war. Ihr blieb nichts anderes übrig, als Luis selbst auf den Boden zu zerren, ihm erst die Stiefel auszuziehen und ihn dann aus der Jacke zu schälen. Sein Atem ging schneller, und einmal stöhnte er, aber er erwachte nicht. Bei seinem Anblick musste sie daran denken, wie sie ihn einst im Schlaf beobachtet hatte. So unschuldig war er ihr damals

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