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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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bist.«
    Valeria schüttelte den Kopf. »Du darfst auch weiterhin kein Wort zu ihnen sagen, versprich mir das!«
    »Aber …«
    »Nein, versprechen ist zu wenig – schwör es mir! Valentín hat für mich seine Familie und seine Heimat verlassen!«
    »Und nun denkst du, du bist es ihm schuldig, das Gleiche zu tun?«, fragte Claire ungläubig.
    »Er würde es nie von mir verlangen, aber ich will es so.« Sie blickte Claire streng an. »Es ist meine Entscheidung – und du musst sie akzeptieren.«
    Claire seufzte, sagte jedoch nichts mehr.
    Nachdem sie sich verabschiedet hatten, stieg Valeria nach oben. Trotz aller vermeintlichen Entschlossenheit fühlte sie sich entsetzlich mutlos, als sie über ihren Leib strich. Zwei Kinder … zarte, kleine Kinder. Wie sollte sie sie nur groß bringen? Und vor allem, wo? Unmöglich konnten sie alle zusammen in diesem Dreckloch leben und auf Claires Mildtätigkeit und Espes Hilfe zählen!
    Sie zögerte, die Stube zu betreten und Valentín davon zu berichten, dass sich zwei neue Erdenbürger ankündigten. Als sie schließlich dennoch seufzend die Tür öffnete, fand sie nur das leere Zimmer vor. Nichts deutete darauf hin, dass er hier einige Wochen zugebracht hatte. Auf dem Bett, dessen Laken er sorgfältig zusammengefaltet hatte, lag lediglich ein Brief.
    Valeria stürzte hin und überflog das Schreiben.
     
    Liebe Valeria,
    ich weiß, Du fühlst Dich mir verpflichtet, aber ohne mich werden das Kind und Du ein besseres Leben haben. Deswegen werde ich Montevideo verlassen – such nicht nach mir! In einer anderen Welt wäre es uns vielleicht möglich gewesen, unsere Liebe zu leben. Doch in dieser kann ich Dir nichts anderes bieten als Leid, Einsamkeit und Armut. Das will ich nicht, das hast Du nicht verdient. Verzeih mir. Ich tue es aus Liebe.
    Valentín
     
    Valeria hatte den Brief kaum sinken lassen, als sie sich schon umgedreht hatte und zur Tür geeilt war. Sie folgte dem ersten Gefühl, das sie packte – und das war kein Entsetzen oder Traurigkeit, sondern blanke Wut. Sie lief so schnell die schiefe Treppe herunter, dass sie über eine der Stufen stolperte. Zwar konnte sie sich im letzten Augenblick ans Geländer festklammern und fiel nicht, aber sie spürte trotzdem ein Stechen im Leib.
    Egal, sie konnte jetzt nicht darauf achten. Valentín war sicher noch nicht lange fort, sie musste ihn einholen.
    »Wo ist er hin?«, fuhr sie Pilar an, die von ihren lauten Schritten aus der Gaststube gelockt worden war.
    »Habe ich etwa Zeit, am Fenster zu hocken, hinauszusehen und alles zu beobachten?«, gab diese giftig zurück. Sie musterte Valeria eine Weile abschätzend, um dann etwas freundlicher hinzuzufügen: »Nun, einer, der kein Geld hat, verlässt Montevideo nicht über den Hafen, sondern über die Straße, die an der Markthalle vorbei zu den Stränden führt.«
    Valeria ließ sie wortlos stehen und stürmte aus dem Wirtshaus. Bald würde der Winter anbrechen, doch noch war die Sonne stark genug, sie zu blenden. Das Gedränge auf den Straßen war dichter als zuvor, und als sie sich durch die Menge boxte, wurde sie misstrauisch beäugt. Frauen in ihrem Zustand sollten sich nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Doch sie schämte sich nicht für ihren Leibesumfang, dachte auch nicht daran, dass sie zwei Kinder erwartete und sich darum umso mehr schonen musste, sondern hielt verzweifelt nach Valentín Ausschau. Ihn erblickte sie nirgendwo, an seiner statt jedoch Claire, von der sie sich vorhin verabschiedet hatte.
    »Valeria, was hast du hier verloren?«, rief diese entsetzt. »Die Hebamme hat doch gesagt, du sollst dich ausruhen.«
    Aus dem spitzen Stechen in ihrem Leib wurde ein krampfartiger Schmerz, aber immer noch zollte sie ihm keine Beachtung. »Valentín!«, keuchte sie. »Valentín ist fort! Dieser Narr denkt tatsächlich, er kann mir das Leben an seiner Seite nicht zumuten.«
    Sie eilte weiter, obwohl ihr jeder Schritt schwerer fiel. Es war, als trüge sie nicht nur die ungeborenen Kinder, sondern als lastete obendrein Blei auf den Schultern. Claire folgte ihr und stützte sie rechtzeitig, als ihre Knie nachgaben und sie niedersank.
    »Damit hat er vielleicht sogar recht«, murmelte sie.
    »Das hat er nicht!«, rief Valeria und rappelte sich auf. »Beide haben wir unserer Liebe so viel geopfert! Das darf nicht umsonst gewesen sein!«
    Der Weg führte über unebene Pflastersteine bergauf. Sie spürte Schweiß aus allen Poren brechen, und zur Wut gesellte sich nun auch

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