Die Rosen von Montevideo
verschluckte sich am Wein, fing zu husten an und konnte – selbst wenn er es gewollt hätte – Rosas Ansinnen nicht zurückweisen. Noch ehe er Luft holen konnte, war Julio schon aufgesprungen und hob seinerseits das Weinglas. »Nun, dann würde ich vorschlagen, dass wir auf die glückliche Zukunft des jungen Paares anstoßen.«
Alejandro brach vor Schreck in neuerliches Husten aus. »Ich habe meine Zustimmung noch nicht gegeben«, japste er mit rotem Gesicht, »und Albert Gothmann hat noch nicht seine Meinung dazu bekundet.«
Albert trat noch mehr Schweiß auf die Stirn, und das Essen lag ihm wie Blei im Magen. Dennoch erhob er sich wie von einer fremden Macht gesteuert. Er trat zu Rosa und nahm ihre Hand. Wie klein ihre Finger waren, wie weich ihre Haut war. Er war sich nicht sicher, ob eine so vertrauliche Berührung gestattet war, denn zum wiederholten Mal schrien beide Tanten auf. Allerdings wirkten ihre Blicke nicht empört, eher sensationslüstern. Und Rosa lächelte ihm zu. Nein, er wollte diese Hand nicht wieder loslassen. Und nein, er wollte den Zweifeln und Ängsten nicht nachgeben, die in ihm aufstiegen.
»Ich würde Ihre Tochter sehr gerne heiraten«, sagte er.
Noch nie hatte er sich zu einer derart überstürzten Entscheidung hinreißen lassen, doch als er das freudige Funkeln in ihren Augen sah, durchströmte ihn heißes Glücksgefühl.
Rosa, dachte er. Meine Rosa …
Rosas Leben war stets gemächlich verlaufen und hatte kaum Abwechslung gekannt, doch nun ging alles blitzschnell: Binnen einer Woche war sie verlobt, binnen eines Monats verheiratet, und noch am Abend nach der Hochzeit bestieg sie mit ihrem frischgebackenen Ehemann ein Schiff nach Europa.
»Ich wollte eigentlich noch mehr Länder Südamerikas bereisen«, hatte Albert erklärt, »aber nun muss ich dich erst einmal meiner Familie vorstellen – und mit meinem Vater über die Geschäfte sprechen, die ich künftig mit deinem Vater und Julio betreiben werde.«
Kurz nach Alberts Heiratsantrag hatte bei Rosa ein Gefühl des Triumphes überwogen: Sie hatte ihr Schicksal gewendet und war dem uralten Ricardo entkommen. Doch je näher die Trauung rückte, desto größer wurde die Angst vor einer ungewissen Zukunft.
Insbesondere die Erwähnung von Alberts Familie erinnerte sie daran, dass sie die eigene verlassen musste. Sie hatte nicht gedacht, dass es ihr so schwerfallen würde, und allein der Gedanke daran beschwor regelrechte Panik in ihr herauf. Dass Albert überdies die Geschäfte erwähnte, führte ihr vor Augen, dass sie ihn im letzten Monat über kaum etwas anderes hatte sprechen hören. Es hatte keine Möglichkeit gegeben, mit ihm allein zu sein, immer waren die Tanten, ihr Vater oder Julio zugegen – und Letzterem schien das Glück der Schwester gleichgültig, Hauptsache, er konnte reich werden. Das Schlimme war, dass ihr auch Albert stets so nüchtern erschien. Zwar hatte er sich während ihres Stadtrundgangs ebenfalls etwas steif verhalten, aber damals hatte sie einfach die Seiten aus dem Notizbüchlein gerissen und ihn zum Lachen gebracht. Jetzt gab es keine Gelegenheit, diese langweiligen Gespräche zu stören.
Am Abend vor der Hochzeit war ihr zum Weinen zumute, aber sie brachte es nicht über sich, ihre Sorgen den Tanten anzuvertrauen, die Alberts Heiratsantrag und die Tatsache, dass Rosa der Ehe mit Ricardo entging, mit einer Mischung aus Sensationsgier, Empörung und einer Prise Wohlwollen hingenommen hatten. Orfelia beklagte zwar, dass Rosa bald die Reise nach Europa antreten und dann für lange Zeit von der Familie getrennt sein würde, aber Eugenia erklärte kategorisch: »Eine Frau hat ihrem Mann zu folgen.«
Ihnen gegenüber konnte sie ihre Ängste unmöglich zugeben. Nur zu Espe sagte sie: »Europa ist so schrecklich weit weg.«
»Nun, deine Mutter ist in Valencia aufgewachsen«, erklärte sie ruhig. »Für sie war Montevideo auch eine fremde Stadt.«
»Hat sie sich damals schnell eingelebt?«, fragte Rosa begierig, um etwas zögernder hinzuzufügen: »Und war sie mit meinem Vater glücklich?«
Espe zuckte die Schultern. »Sie hatte ihre Blumen«, wich sie einer Antwort aus.
»Aber keine Rosen.«
»Dafür dich.«
»Aber sie hat nicht erleben dürfen, wie ich groß wurde.«
»Ich bin sicher, sie wäre zufrieden und stolz, wenn sie dich jetzt sehen könnte. Und sie wäre mit Señor Gothmann einverstanden. Er ist ein feiner Mann.«
Rosa war überrascht, dass Espe sich so offen äußerte. Für
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