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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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er zurück.
    »So ist es«, murmelte sie und schlug kokett die Augen nieder, »und es ist wichtig, dass es mein Großvater nicht erfährt.«
    Er blickte sie zweifelnd an, kommentierte ihr Ansinnen aber nicht weiter. »Und wohin soll es gehen?«
    »In der Nähe von Falkenstein besitzen die Gothmanns doch eine kleine Jagdhütte.«
    Moritz runzelte die Stirn. »Aber jetzt im Winter wird sie nicht benutzt. Der Weg ist gewiss völlig verschneit, und in der Hütte ist es eiskalt.«
    »Nun, es gibt dort doch sicher einen Kamin, um sie zu beheizen.«
    »Aber es ist schrecklich einsam dort.«
    »Eben!«, rief Carlota und hob ihren Blick. »Genau aus diesem Grund will ich dorthin.«
     
    »Warum hast du nicht mit mir darüber geredet? Warum hast du sie eigenmächtig zur Rede gestellt?«
    Rosa war wütend wie schon lange nicht mehr, ihre Beherrschung ebenso dahin wie das übliche Gleichmaß der Tage. Dass sie sich überdies schrecklich sorgte, machte die Sache nicht besser. Derart aufgewühlt, war sie blind dafür, dass Albert schuldbewusst wirkte, zerknirscht den Kopf einzog und, wie das Zittern seiner Unterlippe verriet, ihre Sorgen teilte. Die Liebe zur Enkeltochter war für gewöhnlich das, was sie einte, nun funkelte Rosa ihn feindselig an.
    »Ich wollte nicht, dass du dich aufregst«, stammelte Albert hilflos.
    »Warum sollte ich? Weil meine Enkeltochter einen Musiker liebt? Es gibt Schlimmeres, zum Beispiel, dass diese Enkeltochter davonläuft und wir nicht wissen, wo sie Unterschlupf gefunden hat.«
    »Wahrscheinlich ist sie bei diesem … diesem …«
    »Sprich seinen Namen ruhig aus!«, rief Rosa. »Nur weil er seinen Lebensunterhalt mit Musik verdient, ist er kein unehrenwerter Mann.«
    »Er hat Tabitha geküsst!«
    »Na und? Ist es wirklich das, was dich so sehr erbost? Oder vielmehr die Erinnerung an Fabien, die er heraufbeschworen hat?«
    Leichtfertig sprach sie den Namen aus – zum ersten Mal seit Jahrzehnten. Im Schweigen, das folgte, wuchs ihr Entsetzen, nicht nur über den unbedachten Tabubruch, sondern auch über jenes überschäumende Temperament, das da in ihr wütete. Ansonsten konnte sie es gut bezähmen, doch nun brach alles hervor: jene Wildheit, jene Entschlossenheit, jener Trotz auch, der sie einst dazu getrieben hatte, aus ihrem Elternhaus zu fliehen, um Albert in die Arme zu laufen.
    »Rosa …«
    Sie las die Verletztheit in seinem Blick, aber plötzlich auch die Sehnsucht, vielleicht die gleiche, die sie überkam: die Sehnsucht nach der Jugend, als sie dachten, das Leben sei leicht, solange sie sich liebten und ihren Gefühlen freien Lauf ließen.
    Sie schluckte schwer. »Genug«, sagte sie mit erstickter Stimme, »wir dürfen uns nicht streiten, wir müssen in Ruhe überlegen, was zu tun ist. Und wo wir Tabitha suchen sollen.«
    Albert atmete schwer und nickte schließlich. Wieder folgte ein kurzes Schweigen, das von einem Klopfen an der Tür beendet wurde.
    Else trat ein. Auch bei ihrem Anblick musste Rosa unwillkürlich an die ersten Jahre in Frankfurt denken: Sie selbst war damals noch ein unbedarftes Mädchen gewesen – und Else eine fröhliche, geschwätzige Dienstmagd. Mittlerweile war sie eine rundliche Frau geworden, mit Krähenfüßen um die Augen und ergrauten Haaren, die sie zu einem Knoten hochsteckte. Sie war mit dem Gärtner verheiratet, hatte einen Sohn – Moritz, der mittlerweile ihr Kutscher war –, schwatzte zwar immer noch gerne, aber nicht länger mit Rosa.
    »Ja?«, fragte Albert.
    »Ich habe gehört, dass Tabitha weggelaufen ist.«
    Rosa nickte bestürzt. Gestern Abend hatten sie noch gehofft, dass Tabitha bald wegen der Kälte heimkehren würde, doch nach einer durchwachten Nacht und einem unruhigen Tag reifte die Einsicht, dass das wenig wahrscheinlich war und Tabithas Trotz und Sturheit Vernunft und Gehorsam besiegt hatten.
    »Ich habe mir ja schon lange überlegt, ob ich es Ihnen sagen soll«, murmelte Else.
    »Dass Tabitha sich in Nicolas verliebt hat?«, fragte Albert.
    Else zuckte die Schultern. »Davon weiß ich nichts. Aber … aber Frau Gothmann, ist es Ihnen nicht auch aufgefallen?«
    Rosa ging auf Else zu, studierte deren nachdenkliche Miene, hatte jedoch keine Ahnung, was sie andeutete. »Was?«, rief sie atemlos.
    »Nun, wie sehr sich Tabitha verändert hat!«, sagte Else. »Seit sie aus Montevideo zurückgekehrt ist, ist sie nicht mehr die Alte. Ich habe sie des Öfteren beobachtet, wie sie durch das Haus ging, und sie hat dabei den Eindruck

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