Die Rosen von Montevideo
verwendet?«
»Nur viel Pfeffer, und manchmal wird das Fleisch mit Zwiebeln gebraten. Eintöpfe gibt es auch – meist mit Lamm und Schaffleisch. Dazu isst man Brot in Form von Fladen. Ach«, sie seufzte, »wie gerne würde ich wieder einmal solche Fladen essen.«
Je länger sie sprach, desto hungriger wurde sie.
»Ich kann versuchen, so einen Fladen zu backen«, schlug die Köchin vor.
Rosa sprang auf. »Nein, ich werde selbst einen machen.« Ehe Frau Lore etwas dagegen einwenden konnte, stürzte Rosa mit wahrem Feuereifer in die Vorratskammer. Sie blickte sich um – dort hinten war der Mehlsack, außerdem brauchte sie Öl und Salz. Wenn sie den Teig dann noch mit etwas Wasser anrührte, würde es genügen. Später konnte sie Butter und Käse auf dem heißen Fladen zerlassen. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen, doch als ihr der durchdringende Geruch von einigen Gewürzen in die Nase stieg, wurde ihr plötzlich schwindlig.
Sie griff sich an den Kopf, die Lippen fühlten sich auf einmal taub an. Mit letzter Kraft wollte sie sich an einem Regal abstützen, aber ihre Hände griffen ins Leere. Schweiß brach ihr aus, die Wände waren plötzlich ganz nahe und verschwammen vor den Augen. Ihr Mund wurde trocken, der Appetit auf einen frischen Fladen wich Übelkeit.
»Frau Lore …«, stammelte sie. Die eigene Stimme kam von weit her, als würde eine Fremde zu ihr sprechen. Ehe sie ein weiteres Mal nach der Haushälterin rufen konnte, sackte sie ohnmächtig auf den kalten Steinboden.
»Gebt mir noch etwas kaltes Wasser – oder besser noch: Tränkt ein Leinentuch darin. Dann können wir es ihr in den Nacken legen.«
Die Stimme klang durch die Schwärze, beruhigend und tröstlich. Rosa konnte die Augen immer noch nicht öffnen, aber sie fühlte, wie Leben in ihre Glieder zurückkehrte und diese zu kribbeln begannen.
»Nun macht schon!«
Die Stimme gehörte einem Mann und klang fremd. Er sprach mit starkem Akzent, den sie nicht recht einordnen konnte.
Ein Stöhnen kam über ihre Lippen.
»Wir brauchen keine kalten Tücher. Kölnischwasser ist bei einer Ohnmacht immer noch das Beste.« Diese Stimme war vertraut und gehörte Frau Lore. Ein beißender Geruch stieg Rosa in die Nase. Aus ihrem Stöhnen wurde ein Husten, und obwohl die Lider bleischwer waren, öffnete sie die Augen.
»Sehen Sie, jetzt kommt sie zu sich.«
Das Bild vor ihren Augen war noch verschwommen, aber trotzdem erkannte sie, dass Frau Lore mit irgendetwas vor ihrem Gesicht herumfuchtelte. Neben ihr hockte ein Mann, den sie noch nie gesehen hatte – mit gewelltem Haar, aristokratisch spitzer Nase und feinen Lippen. Er trug zwar nur schlichte, graue Hosen und ein etwas abgenutztes Jackett, doch etwas lag in seiner Haltung, das ihn von den Dienstboten unterschied – etwas Stolzes, Edles. Rosa richtete sich auf, blickte sich um und erkannte, dass sie auf dem Küchenboden lag.
Mühsam rief sie sich in Erinnerung, was passiert war.
»Wie … wie …«
»Monsieur Ledoux hat geholfen, Sie hierherzutragen«, erklärte Frau Lore.
Der Mann streckte die Hände nach ihr aus und half ihr auf. Neuerlicher Schwindel überkam sie, aber da führte er sie schon zum Küchentisch und drückte sie auf einen Stuhl. Sein Blick war ebenso besorgt wie der des Personals, das sich um den Tisch versammelt hatte.
»Wer sind Sie?«, fragte sie.
»Fabien Ledoux«, stellte er sich mit einer rauchigen Stimme vor. »Ich bin der Musiklehrer von Antonie Gothmann und lebe seit einigen Wochen hier. Madame Antonie meint, dass nur Franzosen etwas von Musik verstünden, und hat mich deswegen eingestellt.« Er klang selbstbewusst, aber zugleich hörte Rosa leisen Spott heraus, als würde er sich insgeheim über Antonie lustig machen.
»Offenbar war man sich nicht sicher, wie man mich behandeln soll – ob als Dienstboten oder als Familienmitglied«, fuhr er fort. »Deswegen bekomme ich hier in der Küche mein Essen, darf dennoch das Haus über den Vordereingang betreten, während das dem übrigen Personal verboten ist.«
Diesmal war der Spott in der Stimme unüberhörbar. Rosa musste lachen, doch kaum war jener helle, warme Laut verklungen, packte sie erneut Übelkeit. Erschrocken schlug sie sich die Hand vor den Mund.
»Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte Fabien Ledoux besorgt. »Soll ich einen Arzt holen?«
Rosa schluckte verzweifelt gegen den säuerlichen Geschmack in ihrem Mund an und wollte schon nicken, als Frau Lore ihn zur Seite schob, Rosas Hand ergriff
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