Die Rosen von Montevideo
Augen wie die von Espe, noch blickten sie wohlwollend wie die von Frau Lore. Hastig machte sie sich von ihr los. »Du kommst nun besser mit …«
Sie verließ die Küche, und Rosa wagte es nicht, sich ihr zu widersetzen, sondern folgte ihr schnell.
Im Salon war es deutlich kälter als in den Wirtschaftsräumen. Adele musterte sie lange, und ihr Blick wirkte plötzlich irgendwie verschlagen. Die Wurstsuppe lag Rosa wie Blei im Magen.
»Ich habe gar nicht gesehen, dass Doktor Haubusch hier war«, sagte Adele schließlich.
»Das war er auch nicht.«
»Woher willst du dann wissen, dass du ein Kind bekommst?«
»Nun, Frau Lore sagte es …«
Adele sah das offenbar anders: »Ich werde sofort nach Doktor Haubusch schicken. Frau Lore hat dich doch nicht etwa angefasst, oder?«
»Nein, aber sie meinte …«
»Denn siehst du«, fiel ihr Adele ins Wort. »Dies war eigentlich der Grund, warum ich dich suchte. Antonie ist es auch schon aufgefallen, wenngleich es ihr nicht wichtig ist, wo du deine Zeit verbringst. Mir ist es hingegen ganz und gar nicht gleichgültig. Ich muss doch auf dich aufpassen, wenn Albert nicht hier ist, nicht wahr?«
Rosa hatte keine Ahnung, worauf sie hinauswollte. Obwohl sie nun die Hand auf ihren Unterarm legte, wirkte sie keineswegs fürsorglich. »Ich beobachte es nun schon seit geraumer Zeit. Und es gefällt mir nicht, es gefällt mir ganz und gar nicht.« Düster schüttelte sie den Kopf.
»Was?«
»Du musst dich hüten, dass du dich zu sehr dem Hauspersonal anschließt.«
Rosa starrte sie immer noch verständnislos an.
Adele seufzte. »Du isst mit ihnen, du lässt dir Geschichten erzählen und das Allerschlimmste: Ich habe dich im Garten gesehen, wie du mit bloßen Händen in der Erde gewühlt hast. Wie konntest du nur?«
Rosa fiel keine Antwort ein. »Ich … ich …«, setzte sie hilflos an.
»Nun, dergleichen ist ab sofort ohnehin streng verboten. Wenn du wirklich schwanger bist, musst du dich schonen. Am besten, du bleibst die meiste Zeit im Bett, das ist seinerzeit auch mir gut bekommen, als ich guter Hoffnung war. In jedem Fall bleibst du der Küche fern, das ist ein ganz und gar unpassender Ort für jemanden wie dich.«
»Aber …«
»Sie sind nicht unsere Freunde, sie sind Dienstboten!«
»Aber …«
»Sie betreten das Haus nur über die Hintertreppe – du nicht. Sie hocken in den Wirtschaftsräumen, du isst hier. Und wenn dir der Verdacht kommt, dass du … guter Hoffnung bist, dann darfst du nicht mit Frau Lore darüber sprechen.«
»Frau Lore ist eine herzliche, nette Person, und du selbst …«
»Ich lasse mich von ihr pflegen, wenn ich krank bin, mehr nicht!«, unterbrach Adele sie rüde. »Rosa, du bist die Frau von Albert Gothmann! Kannst du dich nicht mehr daran erinnern, was beim Empfang der Gontards passiert ist? So etwas willst du … wollen wir alle nicht noch einmal erleben. Du musst lernen, dich richtig zu benehmen.«
Rosa errötete. »Aber ich freue mich doch so, weil ich guter Hoffnung bin.«
»Gerade, weil du ein Kind bekommst, musst du dich zusammenreißen … Du musst es irgendwann einmal dazu erziehen, die Standesgrenzen zu wahren. Das siehst du doch ein, nicht wahr? Du willst Albert doch nicht noch mehr Schande machen.« Derselbe Ausdruck wie damals beim Empfang trat in ihre Züge. Nicht etwa nur Empörung stand darin, auch etwas Triumphierendes.
Rosa konnte es nicht deuten. »Espe …«, setzte sie an.
»Sie ist so etwas wie deine Zofe, selbstverständlich darf sie sich um dein leibliches Wohl kümmern – so wie Frau Lore sich um meines. Aber das ändert nichts daran, dass du eine Dame bist.«
Aus ihrem Mund klang es mehr wie eine Beleidigung als eine Auszeichnung.
»Versprich mir, dich fortan anständig zu benehmen.«
Ihre Hand krallte sich förmlich in Rosas Unterarm.
»Ich verspreche es«, murmelte Rosa kleinlaut. Die Wurstsuppe lag ihr noch schwerer im Magen. Als sie die Treppe hochstieg, um auf Doktor Haubusch zu warten, fühlte sie sich regelrecht krank.
Albert konnte nicht glauben, wie schnell sich die Welt in diesen Tagen drehte. Eigentlich schätzte er Gemächlichkeit und befand überdies, dass man besser mit kühlem Kopf Geschäften nachging als mit aufgeregtem Herzen.
Doch er musste zugeben – er hatte nie so spannende Tage erlebt wie diese letzten im März 1848 . Er empfand es als Glück, sie mitzuerleben – was wiederum der Tatsache zu verdanken war, dass Frankfurt seit 1816 Sitz der Deutschen
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