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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Bundesversammlung war und somit ebendiese Stadt das Zentrum jener Bewegung war, die das Land verändern würde.
    Er erlebte die Tage wie in einem Rausch. Von morgens bis abends wurden Neuigkeiten ausgetauscht, und man erging sich in hitzigen Wortgefechten. Frankfurt war seit jeher liberal, und somit hatte ein jeder, ob Kaufmann oder Bankier, seine Meinung zu den Forderungen des Vorparlaments beizusteuern.
    Aufregende Zeiten standen bevor, und obwohl Albert kein Freund von Überraschungen war, war ihm diese angenehm: Schließlich war er nicht selbst involviert, sondern konnte aus angemessener Entfernung zusehen, konnte freiwillig auf den üblichen Tagesrhythmus verzichten, was bedeutete, dass er viele Stunden in Gasthäusern und nicht wie gewohnt am Schreibtisch verbrachte. Dort merkte er in der rauchgeschwängerten Luft gar nicht, wie müde er sich eigentlich fühlte und wie schnell die Zeit verging, so dass er meist spätabends nach Hause zurückkehrte, so auch heute.
    Erst als er das Landhaus im Taunus betrat, ließ die fiebrige Erregung nach. Ein schlechtes Gewissen gegenüber Rosa überkam ihn. Gewiss wartete sie wie immer begierig auf ihn.
    Doch der Salon war wider Erwarten leer – und er insgeheim erleichtert. Er hätte ihr zwar gerne erzählt, was in Frankfurt in diesen Tagen geschah, doch wenn er in den letzten Wochen politische Umwälzungen angedeutet hatte, hatte sie nie richtig zugehört, geschweige denn, sich ehrlich dafür interessiert. So manches Mal hatte er sich bei dem Gedanken ertappt, wie schön es wäre, eine gebildete, politisch versierte Frau wie Antonie an seiner Seite zu haben. Wobei Antonie natürlich ein kalter Fisch war – vor allem in den Nächten war ihm Rosa deutlich lieber. Vielleicht sollte er doch hoffen, dass sie noch wach war.
    Als er die Treppe nach oben ging, hörte er schon von weitem ihr Weinen.
    Das schlechte Gewissen flammte abermals auf, aber auch Überdruss. Warum denn schon wieder neue Tränen? In den letzten Wochen hatte sie ihn doch oft rotwangig und glücklich empfangen! Er hatte fast geglaubt, dass die begeisterte, lebendige Rosa von Montevideo endlich wieder zum Leben erwacht war.
    Unschlüssig verharrte er vor ihrem Zimmer, rang sich schließlich jedoch dazu durch, es zu betreten.
    Sie blickte ihn an, und ihr Schluchzen verstummte, aber ihr Blick war so leer.
    »Albert …«
    »Was ist denn los?« Er war entsetzt, dass es ihm so schwerfiel, den Überdruss in seiner Stimme zu verbergen.
    »Ich … ich bekomme ein Kind.«
    Die hitzige Freude, die ihn den ganzen Tag über begleitet hatte und eben erlahmt war, überkam ihn erneut – noch stärker, noch intensiver. Manchmal war er von Kollegen geneckt worden, wann sich bei ihm denn endlich Vaterfreuden einstellen würden, doch in den letzten Monaten hatte er kaum daran gedacht, sondern hatte sich damit zufriedengegeben, dass Rosa halbwegs glücklich schien.
    Er stürzte auf sie zu und ergriff ihre Hände.
    »Das ist doch großartig, warum weinst du denn dann?«
    »Natürlich ist es großartig!«, rief sie. »Aber du warst nicht da, um es dir zu sagen.«
    »Nun, aber jetzt bin ich doch hier.«
    »Und deine Mutter will nicht, dass ich bei Frau Lore in der Küche bin … und Antonie hat gesagt, Kinder werden immer geboren, aber Revolutionen finden nur selten statt … und ich habe so schrecklich Heimweh.«
    Er verstand das meiste nicht, bedauerte nur, vorhin so ungehalten gewesen zu sein. »Ach Rosa …«
    Sie klammerte sich an ihn und rieb ihre tränennassen Wangen an der seinen. »Du wirst jetzt mehr Zeit hier verbringen, oder? Du lässt mich nicht mehr so oft allein?«
    Verlegen entzog er sich ihr. Wie sollte er ihr das versprechen, ausgerechnet jetzt in der Zeit des Umbruchs, durch die er die Bank zu führen hatte?
    Er antwortete nicht auf ihre Frage. »Du darfst nicht weinen«, sagte er schnell. »Das schadet dem Kind, und das willst du nicht, oder?«
    »Nein, das will ich nicht.«
    Er zog sie an sich, und diesmal klammerte sie sich nicht ganz so ungestüm an ihm fest, sondern barg lediglich ihr Gesicht an seiner Brust. Behutsam strich er ihr über den Rücken. Plötzlich kam sie ihm so zart, so zerbrechlich vor – kaum vorzustellen, dass dieser Leib sich bald runden würde. Dennoch – sie trug ein Kind unter ihrem Herzen, vielleicht einen Sohn …
    Und dieser Sohn würde in einer neuen Welt aufwachsen.

8. Kapitel
    I n den ersten Monaten ihrer Schwangerschaft litt Rosa unter Schwindel und Übelkeit, doch

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