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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Tochter, kräftig und gesund, hör nur, wie sie brüllen kann.«
    Aus dem quäkenden Geräusch wurde Geschrei.
    Kein Sohn …
    Er versuchte, seine Enttäuschung herunterzuschlucken. Wann immer er sich in den letzten Monaten die Zukunft ausgemalt hatte, hatte er einen kleinen Jungen vor sich gesehen, der unter seinem Schreibtisch spielte – ähnlich wie Carl-Theodor und er einst das Kontor der Bank unsicher gemacht hatten. Sein Vater war ungeduldig und streng gewesen – er jedoch würde ganz anders sein, würde seinen Nachwuchs behutsam in künftige Pflichten einweisen, würde seinem Sohn die Liebe geben, die ihm selbst verwehrt geblieben war. Aber stattdessen hatte er nun eine Tochter …
    Er rang sich ein Lächeln ab. Erst jetzt nahm er Espe wahr und einen jungen Mann. Er kam ihm bekannt vor, wusste jedoch nicht, wo er ihn zuletzt gesehen hatte. Verwirrt starrte er ihn an.
    »Ich habe sie Gott sei Dank im Garten gefunden – gerade noch rechtzeitig …«, erklärte der Fremde.
    Ehe Albert etwas sagen konnte, neigte sich der Mann über Rosa und das Kind und streichelte über das Köpfchen.
    Antonies Klavierlehrer, schoss es Albert durch den Kopf. Was machte er nur hier?
    »Nun komm doch, sieh sie dir an!«, rief Rosa.
    Albert tat, wozu sie ihn aufforderte, und als er näher kam, trat Monsieur Ledoux – jetzt fiel ihm der Name wieder ein – zurück. Albert beugte sich über das Kind und lächelte gezwungen, aber insgeheim wurde er das Gefühl nicht los, es wäre nicht seines.
     
    Einen Monat später wurde Alberts und Rosas Tochter auf den Namen ihrer Großmütter Valeria Maria Adele getauft. Carl-Theodor reiste nur wenige Stunden vorher an – in Begleitung von Antonie und dem eigenen Töchterlein. Gerade noch rechtzeitig war er vor einigen Wochen aus Montevideo zurückgekehrt, um bei dessen Geburt in Hamburg zugegen zu sein. Wie Valeria war die Kleine nach ihrer Großmutter mütterlicherseits benannt worden und hörte auf den Namen Claire.
    Valeria war ein rundes Baby mit dichtem, dunklem Haar und einer kräftigen Stimme – Claire dagegen ein blonder, zarter Engel, dessen Geschrei eher dem Miauen einer Katze als dem Gequengel eines Menschenkindes glich. Auch das Verhalten ihrer Mütter konnte kaum unterschiedlicher sein: Rosa hatte sich zwar dazu überreden lassen, eine Amme einzustellen, wollte aber so viel Zeit wie möglich mit dem Kind verbringen. Sie herzte es immer wieder, oft so fest, als wollte sie es ersticken – und meistens schrie es danach erst recht, woraufhin Rosa in Tränen ausbrach. Albert stand kopfschüttelnd daneben. Warum überließ sie den Säugling nicht der Obhut von Espe und der Amme? Genügte es nicht, das Kinderzimmer nur dann und wann zu betreten und die Kleine ehrfürchtig zu betrachten, wie er es tat?
    Antonie wiederum teilte seine Scheu vor dem Kind, allerdings war er auch über ihre Miene erschrocken, war sie doch manchmal so angewidert, als würde sie sich vor der Kleinen ekeln. In der Tat schrie Claire – ähnlich wie Valeria – meistens dann am durchdringendsten, wenn ihre Mutter im Raum war.
    Bald stellte sich heraus, dass sie sich beide am besten beruhigen ließen, wenn man sie nebeneinander in die Wiege legte. Auch wenn sie sich nicht ähnlich sahen, gefiel Albert der Gedanke, dass sie wie Schwestern aufwachsen und sich vielleicht eines Tages viel näherstehen würden als er und Carl-Theodor. Mit jenem führte er nicht lange nach der Taufe ein ungewohnt vertrauliches Gespräch.
    »Ich dachte, mit Claires Geburt würde alles besser werden«, murmelte Carl-Theodor unwillkürlich. »Aber unsere Tochter hat uns einander nicht nähergebracht. Antonie hat schrecklich gelitten – und bei jedem Schrei, den sie ausstieß, hatte ich das Gefühl, dass sie mir die Schuld daran gab.«
    Albert konnte jene Unsicherheit und jenes Befremden gegenüber der eigenen Ehefrau nachvollziehen – jedoch nicht, dass Carl-Theodor seine Gefühle so offen und unvermittelt aussprach. Um abzulenken, fragte er ihn nach seinem Aufenthalt in Montevideo und den Handelsbeziehungen zum Haus der de la Vegas’ aus, doch Carl-Theodor ging nicht darauf ein. »Ich habe es dir schon einmal geraten – und tue es jetzt wieder«, sagte er energisch. »Du solltest dich mehr um Rosa kümmern … und auch um Mutter.«
    »Wieso das denn?«, entfuhr es Albert.
    »Sie macht einen sehr kränklichen Eindruck auf mich.«
    Albert lauschte verdutzt. »Den macht sie doch stets. Hast du Mutter je

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