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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Tageskleid, ihre Haare fielen offen über den Rücken.
    Albert starrte sie an, als wäre sie eine Fremde. Wie schön sie war. Wie jung. Wie lebendig.
    Derselbe Gedanke war ihm auch damals in Montevideo gekommen, als sie noch ein Mädchen gewesen war – und trotz des jahrelangen Heimwehs, trotz der Geburt der Tochter schien sie seitdem kaum gealtert zu sein. Er selbst fühlte sich alt, wie er da neben seiner Mutter stand, nicht nur weil seine Haare ein paar graue Strähnen aufwiesen und er nicht mehr ganz so leichtfüßig durch die Welt schritt wie als junger Mann, sondern weil er um den Traum betrogen worden war, den er in der Jugend gehegt hatte: zu reisen, fremde Länder kennenzulernen, den Geschmack der Freiheit zu kosten.
    Adele hielt inne. »Das kannst du dir nicht bieten lassen«, sagte sie schlicht.
    Kurz begriff er nicht, was sie wohl meinte. Kurz dachte er, wie widersinnig es war, dass sie zwar endlich einmal das Bett verließ, nun aber nicht den schönen Frühlingstag genoss, sondern seine Frau schlechtmachte. Doch dann ging ihm auf, dass auch er, der er sich endlich einmal in den Garten gewagt hatte, weder mit Rosa tanzte noch sein Kind liebkoste, sondern wie ein Statist an der Seite stand. Ein anderer tanzte mit Rosa – der Klavierspieler, Fabien Ledoux, der ihre Hand nahm, sich ein paar Mal mit ihr im Kreis drehte, sich schließlich zu Valeria beugte, sie hochnahm, sie in die Luft warf. Das Mädchen kreischte glücklich. Behutsam setzte er es wieder auf die Wiese, nahm nun Claire auf den Arm.
    Albert versteifte sich. Die Sonne blendete ihn, anstatt ihn zu wärmen. Er erinnerte sich, wie Fabien Ledoux nach der Geburt von Valeria neben Rosa gesessen hatte, wie er den Säugling gestreichelt und damit geprahlt hatte, ihr gerade noch rechtzeitig geholfen zu haben. Albert selbst war ja nicht da gewesen. Er war ja nie da.
    Adele nickte ihm schmallippig zu, und in Albert erwachte Wut.
    Er hatte ein Recht, nicht da zu sein, er musste sich um die Geschäfte kümmern. Warum hatte Rosa ihn nie verstanden, warum nie unterstützt, warum hatte sie ihn in Frankfurts Gesellschaft blamiert, anstatt sein Ansehen zu vergrößern, warum lachte sie mit dem Klavierlehrer, während sie in seiner Gegenwart ständig nur weinte?
    Am liebsten wäre er sofort auf Fabien losgestürzt und hätte ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Doch er wahrte mühsam die Beherrschung.
    »Lass uns zurückgehen«, sagte er.
    Adele nickte. »Ja, ich sollte mich wieder hinlegen. Ich fühle mich nicht wohl.«
     
    Albert ging in seinem Arbeitszimmer auf und ab wie ein gefangenes Raubtier. Anfangs hatte er gehofft, das würde ihn besänftigen, doch mit jedem Schritt wuchs seine Wut. Er war bestürzt, wie heftig ungeahnte Gefühle in ihm tobten. Für gewöhnlich fiel es ihm doch nicht schwer, seine Gelassenheit zu wahren. Warum erstickte er nun nahezu an seiner Eifersucht?
    Er warf einen fast hilfesuchenden Blick zum Schreibtisch, wo sorgsam geschichtete Akten lagen, doch selbst dieser Anblick konnte ihn nicht beruhigen. Etwas nagte an ihm – und zwar nicht nur der Verdacht, Rosa könnte ihn betrügen, sondern die Einsicht, dass er sie nicht verstand, dass er sie nie verstanden hatte, dass ihre überschäumenden Gefühle ihn oft hilflos gemacht hatten … und manchmal sogar lästig gewesen waren.
    Natürlich, er hatte sich gerne von ihrer Leidenschaft in den Nächten mitreißen lassen, aber seit Valerias Geburt waren diese selten geworden, und auch schon zuvor hatten diese Nächte sie nicht vor Heimweh und Traurigkeit bewahren können. Er wusste ja, dass sie sich einsam fühlte, aber er war das doch auch! Nie hatte sie gefragt, wie er der Last der Verantwortung standhielt oder wie er mit der Enttäuschung nach der missglückten Revolution lebte! Er bot ihr doch ein sorgenfreies Leben! Sie konnte tun und lassen, was sie wollte! Aber anstatt dankbar zu sein, zog sie sich von ihm zurück und hatte eine Affäre mit dem Klavierlehrer …
    Warum sonst würden sie so vertraulich miteinander umgehen?
    Albert ballte seine Hände zu Fäusten. Oft hatte er Carl-Theodor bedauert, weil der mit der spröden, kalten Antonie sein Leben verbringen musste, aber jetzt war er sich sicher: Antonie würde ihren Mann nicht betrügen. Antonie hatte ihre Eigenheiten, aber sie wusste, was sich gehörte. Schließlich war sie hier in Europa geboren … anders als Rosa.
    Wir passen nicht zusammen, dachte er plötzlich. Sie ist mir immer fremd geblieben.
    Die Erkenntnis

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