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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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ihn?«
    Rosa schwieg verstockt. Die Wut erkaltete – aber die Verbitterung wuchs. »Du hast mir nach unserer Hochzeit versprochen, dass wir bald wieder meine Heimat besuchen, aber das haben wir nie getan. Du bist doch froh, wenn du dich an deinen Schreibtisch flüchten kannst, um mir zu entgehen.«
    »Es ist meine Pflicht, unser Bankhaus zu leiten – so wie auch du Pflichten hast. Und wenn auch ich dich nicht glücklich machen kann – warum dann nicht unsere kleine Tochter?«
    »Bei deren Geburt du mir nicht beigestanden hast – er schon!«
    Kurz schob sich eine Wolke vor den Mond und verdunkelte sein Gesicht. Als das silbrige Licht ihn wieder beschien, wirkte er nicht länger kalt und entschieden, sondern hilflos und verzweifelt – Gefühle, die ihr vertraut waren, desgleichen wie sein Unmut, dass er sie nicht glücklich machen konnte, ähnlich groß wie ihrer war, ihn nicht zu verstehen … nie verstanden zu haben.
    Eine Weile starrten sie sich schweigend an, ehe sich Fabien, der sich bis jetzt zurückgehalten hatte, zu Wort meldete.
    »Komm, Rosa!«, sagte er sanft. »Ich bringe dich ins Haus. Du hast ja recht – diese ganze Sache hier ist tatsächlich Irrsinn. Ich hätte mich nie darauf einlassen dürfen.«
    Albert hatte eben noch durchaus erleichtert gewirkt, diesen Kampf nicht ausfechten zu müssen. Doch als Fabien Rosa nun am Arm nahm und wegführte, stieß er einen wütenden Schrei aus.
    »Sie lassen mich nicht einfach so stehen!«
    »Was wollen Sie denn dagegen tun? Mir in den Rücken schießen?«
    Mit einem neuerlichen Wutschrei stürzte Albert auf ihn zu und riss ihn zurück. Rosa bekam einen Ellbogen zu spüren, wusste jedoch nicht, wem er gehörte. Die beiden gingen rangelnd zu Boden, und im bleichen Mondlicht konnte sie weiterhin nicht bestimmen, welche Hand wem gehörte. Sie sah nur, dass die Männer immer noch beide eine Pistole hielten, während sie aufeinander einschlugen.
    Sie wollte schreien, aber ihr Mund war zu trocken. Der einzige Laut, der schließlich ertönte, war ein ohrenbetäubender Knall.
     
    Adele schreckte aus dem Schlaf hoch. Nur vage war die Erinnerung, was sie geträumt hatte, aber es musste etwas Schreckliches gewesen sein, denn sie fühlte sich vor Angst wie gelähmt. Eine Weile konnte sie sich nicht rühren, dann stieß sie einen spitzen Schrei aus.
    Jetzt wusste sie es wieder – sie hatte geträumt, dass sie in einem Sarg gefangen lag, wo es dunkel und kalt war. Was, wenn es allen Toten so erging – dass nämlich nur ihre Leiber verstorben waren, ihr Geist aber hellwach blieb? Was, wenn Gerda und ihr Mann so ausharren mussten – ewiglich gefangen und zur Untätigkeit verbannt? Was, wenn dieses grausame Schicksal auch sie selbst ereilte, wenn sie selbst tot war?
    Sie schüttelte den Kopf. Was für ein unsinniger Gedanke!
    Als sie sich allerdings umblickte, ahnte sie, was die Panik in ihr heraufbeschworen hatte. Die Kerzen, die stetig brannten, waren erloschen. Es war stockdunkel in ihrem Schlafgemach – und sie fühlte sich elend. Dieser schreckliche Druck im Kopf machte alles noch schlimmer, denn er gab ihr das Gefühl, sie würde auch dann nichts sehen, wenn es taghell wäre.
    »Frau Lore?«
    Keine Antwort – natürlich: Es war ja mitten in der Nacht, und Frau Lore schlief im anderen Trakt. Aber Albert war in ihrer Nähe – und Rosa. Kurz packte sie die Reue, dass sie ihn auf deren vertrauliches Verhältnis zu Fabien aufmerksam gemacht hatte. Nur zu gerne hätte sie sich jetzt von Rosa helfen lassen wollen.
    Sie rief erst ihren Namen, dann den des Sohnes. Wieder ertönte keine Antwort, so dass ihr nichts anderes übrigblieb, als aufzustehen. Der Kopf schien zu zerspringen, ihr Hals schmerzte.
    Ach, wenn Frau Lore da wäre – sie wüsste ein Mittel: Sie könnte ihr ein Bad aus Heusamen bereiten oder einen Fencheltee. Sie könnte ihr in Kampferessig getränkte Tücher auf die Stirn legen oder ihr Tabak aus getrockneten Maiblumen zum Schnupfen geben.
    Je länger sie allerdings darüber nachdachte, desto augenscheinlicher wurde, dass sie weniger an ihren Kopfschmerzen litt als an dieser durchdringenden Kälte. Hier auf dem Land war es immer viel kälter als in der Stadt. Warum nur hatte sie Frankfurt bloß verlassen? Als Kind hatte sie auch viel zu oft gefroren. Ihre Eltern waren zwar reich gewesen, hatten aber beim Feuerholz gespart. Einmal hatte sie gemeinsam mit ihrer Schwester ein Feuer gemacht … was, wenn Gerda in ihrem Grab tatsächlich noch

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