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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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wirken, sondern rot. Das Haus der Gothmanns brannte lichterloh.
     
    Diesmal konnte sich Rosa früher aus ihrer Starre lösen; diesmal erfasste sie das Schreckliche nicht quälend langsam, sondern blitzschnell. Das Haus brannte, und ihre Tochter befand sich ebenso noch darin wie die kleine Claire. Sie stürzte auf das Haus zu, doch Espe stellte sich ihr in den Weg und hielt sie wie vorhin fest. Sosehr sich Rosa auch gegen ihren Griff wehrte, sie konnte sich nicht befreien.
    Wie die Dienstboten, die aus ihrem Trakt gelaufen kamen, musste sie zusehen, wie die Flammen die Wände hochkletterten und den Dachstuhl erfassten. Die Männer kämpften noch darum, das Feuer einzudämmen, doch die Löschgerätschaften, die ihnen zur Verfügung standen – Feuerhaken, Löscheimer und Feuerleiter –, waren keine Hilfe. Wind fuhr ins brennende Gebälk und ließ Funken sprühen.
    Der Brand musste im Salon seinen Ausgang genommen haben und hatte sich über die Holztreppe in den ersten Stock ausgebreitet. Aus sämtlichen Fenstern drang mittlerweile Rauch.
    »Valeria!«, brüllte Rosa hilflos, aber sie kam nicht gegen den Lärm an – weder gegen das Knistern der Flammen noch gegen das Geschrei der Dienstboten.
    Albert schrie nicht, als er zu ihr aufgeschlossen hatte. Kalkweiß stand er neben ihr.
    »So tu doch etwas!«, kreischte Rosa.
    Er wirkte uralt und gebeugt, als er geradezu traumwandlerisch auf das Haus zutrat. Er hatte das Portal noch lange nicht erreicht, als er vor der sengenden Hitze zurückwich und die Hände schützend vor den Kopf hob.
    »So tu doch etwas!«, brüllte sie ein zweites Mal.
    Endlich entkam sie Espes Armen und lief selbst auf das Haus zu. Anders als ihr Mann scheute sie die Hitze nicht, doch Albert packte sie und riss sie zurück. Obwohl er so alt und kraftlos gewirkt hatte – sein Griff war noch fester als der von Espe.
    »Nicht, Rosa! Wir können nichts tun!«
    Sie spürte seine Hände, seinen Körper, seinen warmen Atem. Sie konnte sich nicht erinnern, wann er sie das letzte Mal berührt hatte. In diesem Augenblick war er ihr einfach nur widerwärtig. Sie wollte ihn treten, kratzen, schlagen, ja, wollte auf ihn schießen, doch sie konnte ihn nicht einmal anschreien: Eine Woge Rauch traf sie, verätzte ihre Kehle, und sie hustete, bis sie tränenblind war. Als sich das Bild endlich klärte, lief alles merkwürdig langsam vor ihr ab, als hätte jemand die Welt angehalten, und als würde sich diese danach nur holprig weiterdrehen.
    Sie sah, wie die Männer ihre Löschversuche einstellten, stattdessen die Pferde aus dem nahen Stall retteten und wie eines der Tiere panisch wiehernd stieg. Sie sah, dass Frau Lore hemmungslos weinte, dass Espe sich bekreuzigte und dass Else ihre Hände vors Gesicht schlug. Und plötzlich sah sie auch, wie sich das Portal öffnete und aus dem Rauch eine Gestalt auftauchte, die inmitten der grauen Schwaden so unwirklich schien, als wäre sie ein Geist. Das Gesicht war rußgeschwärzt, so dass sie den Mann nicht erkannte, doch die beiden Mädchen, die er rechts und links hielt und die aus Leibeskräften brüllten, waren gewiss kein Trugbild.
    Albert ließ sie los, und sie stürzte auf ihre Tochter zu. Valeria schrie immer noch, als sie sie an sich zog – Claire dagegen verstummte und blickte mit großen Augen um sich.
    »Ich kam im letzten Augenblick …«
    Der Mann, der die Kinder gerettet hatte, war Carl-Theodor.
    Die Erleichterung fühlte sich wie ein schmerzhafter Schlag an; die Luft blieb ihr weg, als sie mit Valeria im Arm auf den Boden sank.
    Anders als sie fasste sich Albert früher.
    »Was machst du hier?«, rief er. »Ich dachte, du wärst in Hamburg.«
    »Ich bin heute Abend zurückgekehrt – gerade noch rechtzeitig, wie mir scheint. Wie kommt es, dass die Kinder allein im Haus waren, ihr aber hier draußen?«
    Valeria brüllte noch lauter, strampelte und hinterließ blutige Kratzer auf ihrer Wange. Rosa fühlte keinen Schmerz, aber auch nicht länger Erleichterung, dass die Mädchen noch lebten. Um ein Haar wären sie gestorben – Alberts und ihretwegen. Und Fabien war tatsächlich tot.
    Sie hörte Espe neben sich etwas murmeln. »Den Brand können wir gut gebrauchen, um das Duell zu vertuschen. Johann soll den Leichnam hierherschaffen – wir können angeben, dass Señor Ledoux in den Flammen umgekommen ist.«
    Rosa wusste, dass Espe das alles tat, um sie und Valeria zu schützen, dennoch packte sie die Wut.
    »Wie kannst du so etwas sagen!«, schrie sie.

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