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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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schließlich doch verzweifelt rief: »Das habe ich nicht gewollt! Der Schuss hat sich einfach gelöst … Ich weiß nicht einmal, aus welcher Pistole.«
    Was sie nun tun sollten, sagte er nicht.
    Später dachte Rosa, dass sie – wäre sie allein mit ihm beim Toten gewesen – bis zum Morgengrauen dort gehockt und auf Alberts hilfloses Stammeln gehört hätte. Doch es war auch Espe da – und Espe war nicht erschüttert wie sie, sondern übernahm das Kommando.
    »Steh auf, Rosa«, befahl sie mit ruhiger, fester Stimme. »Atme ein paar Mal tief durch. Wenn du dich beruhigt hast, gehst du ins Haus und kleidest dich um. Die blutigen Kleider werden wir später verbrennen. Und wer immer dich danach fragt – du hast heute Nacht nichts gesehen und gehört, sondern tief und fest in deinem Bett geschlafen.«
    »Aber …«
    Espe ging nicht auf den Widerspruch ein, sondern wandte sich an Albert. »Sehen Sie zu, dass die Pistolen verschwinden, am besten vergraben Sie sie irgendwo.«
    Wie Rosa starrte Albert sie verständnislos an. Indessen kamen die beiden Männer näher, die das Duell bezeugen sollten. Fabiens Gefährte war ein dünnes Männlein, das eher befremdet als betroffen auf den Toten blickte.
    Rosa hörte Espe mit ihm sprechen, verstand aber kaum etwas, nur dass es um Geld ging. Sie begriff erst nicht, warum ausgerechnet jetzt darüber gesprochen wurde. Erst als der Mann ging, verstand sie, dass Espe ihn bestochen hatte, damit er den Todesfall nicht meldete.
    Nun wandte sich Espe Johann zu, Alberts Leibknecht. Bei ihm war nicht von Geld die Rede, sondern von Treue gegenüber den Gothmanns. Der Mann nickte und wollte offenbar gehen.
    »Bleiben Sie!«, herrschte Espe ihn an. »Wir müssen den Leichnam irgendwo verschwinden lassen, und Sie müssen uns dabei helfen. Und du, Else«, wandte sie sich an das Dienstmädchen, »du auch.«
    Else sagte nichts. Sie war zwar blass wie die anderen Beteiligten, bückte sich aber sofort bereitwillig nach dem Toten.
    Wollten sie Fabien etwa hier begraben?
    Erstmals regte sich Protest in Rosa – und Entsetzen. Ihr Fabien, so schön, feinsinnig und mit den geschmeidigen Händen, sollte einfach in der Erde verscharrt werden, auf dass nichts mehr an den Mann erinnerte, der so wunderbar Klavier gespielt und sie zum Lachen gebracht hatte?
    Sie brach in Tränen aus.
    Doch Espe sagte ungewohnt streng zu ihr: »Tu endlich, was ich dir gesagt habe. Geh ins Haus, wasch dich und leg dich ins Bett.«
    Sie wandte sich an Albert: »Und Sie auch. Falls jemals Fragen auftauchen – Sie waren bis spätabends im Arbeitszimmer. Ich hoffe, Señor Ledoux wird nicht vermisst. Er hat gewiss nicht viele Freunde in Frankfurt, da er doch die meiste Zeit hier verbrachte, nicht wahr, Rosa?«
    Rosa bebte am ganzen Körper. »Wir können doch nicht einfach …«
    »Ihr müsst sogar!«
    »Du hast ihn getötet!«, schrie Rosa schrill, ging auf Albert los und schlug auf seine Brust. Sie fühlte sich seltsam leblos an, als wäre auch er tot.
    Da spürte sie plötzlich Espes Hände um sich, die sie zurückrissen, und anders als Alberts Körper waren diese warm und kräftig. »Mein Mädchen, du musst die Fassung bewahren. Wenn dein Mann als Mörder verurteilt wird, dann schadet das nicht nur dir, sondern vor allem Valeria. Du musst an deine Tochter denken!«
    Rosa konnte an nichts denken, sondern nur zittern. Immerhin – in Espes Armen verflüchtigte sich das Beben etwas. Irgendwann war sie bereit, sich zum Haus ziehen zu lassen. Sie drehte sich nicht um, um nachzusehen, ob Albert ihr folgte oder ob er Johann und Else half, den Leichnam fortzuschaffen. Kurz wurde es ganz still in ihrem Kopf – da war kein Platz für Vorwürfe, nicht gegenüber Albert, weil er Fabien erschossen hatte, nicht gegenüber sich selbst, weil es nie so weit gekommen wäre, wenn sie Fabien nicht als Gesangslehrer engagiert und sich heimlich darüber gefreut hätte, dass er in sie verliebt war. All das würde morgen über sie hereinbrechen, jetzt noch nicht: Jetzt senkte sich nur diese große Stille über sie – oder nein, doch keine Stille. Denn plötzlich waren lautes Knistern, Krachen und Geschrei zu vernehmen. Sie hörte, wie Espe scharf den Atem einsog und offenbar Gleiches befürchtete wie sie: Das Unglück ließ sich nicht vertuschen, die Nachricht von Fabiens Tod hatte schon die Runde gemacht.
    Doch plötzlich stieg Rauch in die Nase, und der Garten wurde hell erleuchtet.
    Nun würde Fabiens Blut nicht länger pechschwarz

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