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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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lebte und dort entsetzlich fror?
    Sie schüttelte den Kopf. Seit Jahren hatte sie nicht selbst ein Feuer entfacht, aber nun blieb ihr gar nichts anderes übrig. Denn als sie das Zimmer verließ und wieder Rosas und Alberts Namen rief, blieb es weiterhin finster und still.
    Irgendwo in der Nähe mussten die beiden kleinen Mädchen schlafen, aber die waren keine Hilfe.
    Adele tastete sich nach unten.
    Oh, es war schwer, ein Feuer zu machen, ging ihr auf, es war regelrecht eine Kunst! Man bedurfte dazu eines Stückes Feuerstein, Schwefelfadens und einer nach unten mit Blech geschlossenen Abteilung Zunder, der meist aus alten Strumpfsocken hergestellt war. Dann schlug man Stahl und Feuerstein über dem Zunderkästchen zusammen, bis ein Funken hineinfiel.
    Allerdings – Adele war nun unten angekommen –, hatte Frau Lore ihr nicht irgendwann einmal gesagt, dass es mittlerweile leichter geworden sei, eine Flamme zu entzünden, dank der Erfindung des Schwefelhölzchens nämlich?
    Irgendwo musste sie doch welche finden – dann konnte sie Kerzen anzünden, den Kamin beheizen und in angenehmer Wärme und mildem Licht den Gedanken an Gerda im Grab abschütteln.
    Auch im Salon war alles ruhig. Sie tastete sich bis zum Kamin vor, und tatsächlich lag auf dem marmornen Vorsprung ein Kästchen mit Schwefelhölzchen. Vor Erleichterung hätte sie am liebsten geweint. Sie entzündete eines, hielt es hoch und genoss es, wie das Licht aus einer bedrohlichen Welt eine vertraute machte. Mit dem zweiten Hölzchen entzündete sie die Kerzen. Eigentlich hätten einige wenige ausgereicht, um die Finsternis zu bannen, doch als sie erst einmal damit begonnen hatte, konnte sie nicht aufhören, sondern zündete jede Kerze an, die sie fand. Der Raum war nun beinahe taghell, doch der Druck im Kopf kehrte trotzdem wieder. Nicht die Finsternis machte ihr länger zu schaffen – sondern die Einsicht, dass sie trotz der vielen Kerzen schrecklich einsam war. Und ihr war nach wie vor kalt. Sie beugte sich zum Kamin und wollte ein Holzscheit ergreifen, als der Druck im Kopf immer schlimmer wurde. Es fühlte sich an, als würde sie einen Schlag erhalten, die Haut darunter platzen, die Knochen brechen. Sie griff blind nach etwas, um sich festzukrallen, spürte die Platte eines Tischchens, hatte jedoch nicht die Kraft, sich aufrecht zu halten. Sie hörte einen dumpfen Knall, als erst das Tischchen umkippte, dann sie selbst.
    Als sie nach einer Weile die Augen aufschlug, war es nicht mehr kalt, vielmehr umgab sie sengende Hitze und noch mehr Licht. Ihr Verstand fasste nicht, was sie sah – so viele Flammen, rötliche, hungrige Flammen.
    Auf dem umgekippten Tisch hatten mehrere Kerzen gestanden, die erst den Teppich, dann die Seidentapeten, zuletzt die Holzvertäfelung erfasst hatten.
    Für einen kurzen Moment war Adele glücklich. Wie warm es war, wie licht!
    Doch als sie keuchend einatmete und ihre Kehle vom Rauch verätzt wurde, war beides kein Segen mehr. Es brannte lichterloh, und sie konnte nichts dagegen tun. Ihr Körper war gelähmt, sie konnte ihre Hände nicht heben, geschweige denn aufstehen, sie konnte nicht einmal um Hilfe schreien. Sie würde nie in einem kalten Grab liegen, denn ihr Körper würde zur Unkenntlichkeit verbrannt werden. Und sie starb nicht nur mit dem Wissen, dass nichts anderes als Asche von ihr bleiben würde, sondern dass sie ihre beiden Enkeltöchter nicht würde retten können.
     
    Der Schuss war verklungen, auch das dumpfe Geräusch, als ein Körper leblos zu Boden sackte. Rosa stand wie erstarrt da, begriff nicht, wer von wem getroffen wurde und fiel. Dann blickte sie in Alberts schreckgeweitetes Gesicht. Er hatte seine Pistole fallen lassen, die – verglichen mit Fabiens Körper – ungleich leiser auf dem Boden landete.
    Rosa sank kraftlos neben den Musiker. Sie spürte Feuchtigkeit durch ihre Kleider dringen – und war sich nicht sicher, ob es Tau oder Blut war.
    Im fahlen Licht wirkte das Blut pechschwarz, und kurz verfiel sie der irrwitzigen Hoffnung, dass niemand tot sein könnte, wer nicht kräftig rot blutete.
    Doch Fabien war tot – daran bestand kein Zweifel. Seine Augen waren weit aufgerissen und starr, immer mehr Flüssigkeit – weiterhin wie Pech – drang aus seinem Brustraum. Noch war das Blut warm, aber da war kein Herzschlag zu spüren, kein Atem zu vernehmen.
    Rosa blickte hoch, brachte jedoch kein Wort hervor. Auch Albert konnte zunächst nichts sagen, ehe er nach einigem Stammeln

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