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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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furchtbar sein.« Er lauschte seinen Worten nach, die der Nebel zu schlucken und damit irreversibel zu machen schien.

    »Es sind sehr schlimme Dinge geschehen«, fuhr er fort, »es ist viel Leid über die Menschen gekommen. Ich sage nicht, daß wir nicht richtig gehandelt haben, oder besser, daß wir nicht glaubten, richtig zu handeln. Daß wir nicht das Beste im Sinn gehabt haben.«
    Beatrice dachte an die Häftlingskolonnen, die man überall auf der Insel gesehen hatte, an die abgemagerten, ausgebeuteten Zwangsarbeiter, an ihre elenden, verzweifelten oder abgestumpften Gesichter. Sie dachte an alles, was sie über Folterungen und Entbehrungen, über das grausame Zusammenspiel von kärglicher Ernährung und härtester Arbeit gehört hatte. Sie dachte an Julien, der seit Jahren versteckt auf einem Dachboden hausen mußte. Sah es so aus, wenn jemand das Beste im Sinn hatte?
    »Aber natürlich haben wir Fehler gemacht, so wie jeder Fehler macht, und man wird alles gegen uns verwenden und uns kaum eine Möglichkeit zur Verteidigung lassen«, sagte Erich. »Und sie werden keinen Grund finden wollen, uns gnädig zu behandeln.«
    »Wer ist ›sie‹?« fragte Beatrice.
    »Die Sieger. Und die Geschichte. Beide werden sie uns verteufeln. Und ich möchte dich um eines bitten, Beatrice: Was auch immer du hörst, welche Greuel auch immer dir zu Ohren kommen werden, behalte von mir das Bild, das du dir gemacht hast in all den Jahren. Laß es dir nicht nehmen. Laß es nicht beschmutzen. Laß nicht zu, daß es in den Dreck gezogen wird.«
    »Was haben Sie getan, Sir?« fragte Beatrice. »Was könnte man mir über Sie erzählen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Diese Differenzierung wird es gar nicht mehr geben. Sie werden uns über einen Kamm scheren. Sie werden Teufelsfratzen an die Wand malen. Laß dich nicht beeindrucken, Beatrice.«
    Sie dachte an die sadistische Freude, mit der er Julien und Pierre gequält hatte. Vielleicht leuchtete die Teufelsfratze bereits jetzt an ihrer Wand. Aber diese Möglichkeit schien Erich nicht in Erwägung zu ziehen. Er wurde zunehmend sentimentaler.
    »Wer weiß, ob ich das Kriegsende erlebe. Ob ich es über lebe. Die Sieger werden ihren Triumph womöglich rücksichtslos auskosten. Vielleicht töten sie mich.«

    Beatrice sagte dazu nichts, aber er schien auch keine Antwort zu erwarten.
    »Ich möchte, daß du dich um Helene kümmerst, sollte mir etwas zustoßen«, sagte er plötzlich nach einer längeren Pause, in der er in die Nacht hinausgestarrt hatte, während sich Beatrice fragte, ob sie ihm sagen sollte, daß sie dabei war zu erfrieren. »Helene ist ein Mensch, der nicht allein sein kann. Sie würde das Leben nicht bewältigen. Sie ist schwach. Du bist stark, Beatrice. Du mußt für sie sorgen, wenn ich nicht mehr da sein werde.«
    »Ich glaube nicht, daß Ihnen etwas zustoßen wird, Sir«, sagte Beatrice, teils aus Höflichkeit, teils weil sie tatsächlich nicht glaubte, Erich werde sein Leben lassen müssen. Er aber schien sich für den Gedanken zu begeistern. Er wiederholte die Schilderung vom Ende des Krieges, wie es sich gestalten und welch ein Weltuntergang über sie alle hereinbrechen würde. Er malte sich erneut die Rache der Sieger aus und beteuerte, im Grunde nichts getan zu haben, was nicht zum Wohl des deutschen Volkes gedacht gewesen wäre.
    »Es ist normal, alles für sein Land tun zu wollen, findest du nicht, Beatrice?«
    »Mir ist entsetzlich kalt, Sir«, sagte Beatrice. Sie konnte nicht länger verhindern, daß ihre Zähne aufeinanderschlugen.
    Er sah sie mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an. »Dir ist kalt? Mir ist heiß. Tief in mir erfüllt mich Hitze. Es ist wie ein Fieber!«
    »Ich muß hineingehen. Ich fürchte, ich werde sonst krank.«
    Was sie sagte, schien ihn zu verärgern. Sie hatte ihn dabei unterbrochen, sich das Weltende auszumalen. Vermutlich hatte er zudem das Gefühl, daß sie nicht wirklich ernst nahm, was er sagte.
    »Gut, gut, dann geh ins Haus!« sagte er unwirsch und wedelte mit der Hand. »Ich finde es wirklich nicht kalt hier, aber wenn du meinst...« Er schien ihr Frieren als persönlichen Affront zu empfinden. Demonstrativ blieb er eine ganze weitere Stunde auf der Veranda und kam erst ins Haus, als Beatrice und Helene sich bereits anschickten, zu Bett zu gehen.
    Zwei Tage später bekamen er und Beatrice die Grippe.

    Erich erholte sich vergleichsweise rasch von der Krankheit, aber Beatrice mußte wochenlang im Bett liegen. Ihre Grippe ging

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